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SPD: Von Stolz keine Spur

Die SPD will nun Hartz-Gesetze korrigieren. Dabei sollte sie die Reformagenda verteidigen.

Von Lutz Haverkamp

Mehr als alle Hartz- IV-Empfänger haben die Sozialdemokraten selbst unter den Hartz-Reformen und dem damit verbundenen Agenda-2010-Prozess gelitten. Landtagswahl um Landtagswahl ging verloren, eine neue Partei gründete sich links von und zu Lasten der SPD, der Niedergang wurde erst durch die große Koalition 2005 teilweise gestoppt. Heute, sieben Jahre nach der größten und erfolgreichsten Sozialreform nach der Jahrtausendwende und fünf Jahre nach dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen, das mit Neuwahlen im Bund endete, will die SPD diese Wunden vergessen machen. Die Therapie soll schnell helfen, denn am 9. Mai wird an Rhein und Ruhr wieder gewählt.

Der Fehler der SPD war nicht Hartz IV. Nicht heute und nicht vor sieben Jahren. Deutschlands Wirtschaft, viele Arbeitslose und die erste Regierung Angela Merkel haben von der Agenda 2010 profitiert. Denn Gerhard Schröders Reformagenda ist auch noch heute dafür mitverantwortlich, dass Deutschland wirtschaftlich besser dasteht als viele Nachbarn in Europa oder Wirtschaftsnationen in Übersee.

Die Agenda 2010, das gestehen auch alle politischen Gegener der damaligen rot-grünen Bundesregierung inzwischen ein, war in ihrer Grundausrichtung richtig und unvermeidbar. Die, die das am wenigsten eingesehen haben, waren und sind die Sozialdemokraten selbst. Und ohne eigene Überzeugung vermochten sie es nicht, ihre Wähler zu überzeugen.

Jetzt holt die SPD die weiße Salbe raus. Hier ein bisschen mehr Geld, da ein bisschen weniger Eigenanteil, überall ein bisschen weniger Kontrolle. Von Stolz, von dem im Zusammenhang mit der langen Geschichte der SPD häufig die Rede ist, zeugt das alles nicht. Was das Thema Hartz IV und seine Geschichte zeigt, ist, dass in Deutschland keine Reformen gegen die Menschen gemacht werden können. Nicht einmal dann, wenn sie richtig und unvermeidbar sind.

Insofern hat die SPD viel gelernt, aus eigener schmerzhafter Erfahrung. Kanzlerin Merkel hat das gelernt ganz ohne eigene Leiden. Ihre Politik fußt nicht auf einer Idee à la Agenda 2010. Merkels Politik ist Evolution – nicht Revolution. Da will die SPD auch wieder hin. Verdenken kann man das den Sozialdemokraten nicht. Politik muss die Menschen mitnehmen, gerade dann, wenn sie ihnen etwas abverlangt.

Die FDP und ihr Vorsitzender Guido Westerwelle sind von dieser Erkenntnis weit entfernt. Aber sie wird kommen. Unabhängig davon, ob die liberale Politik überhaupt die richtige ist, wird die FDP erfahren, dass alles nichts ist, wenn sie die Menschen nicht überzeugen kann. Der Ton, den Westerwelle derzeit anschlägt, spaltet, verhöhnt, verletzt. Vielmehr, als das ein Basta- Kanzler je geschafft hätte.

Wie schnell sich die Geschichte entwickeln kann, hat Nordrhein- Westfalen zuletzt vor fünf Jahren gezeigt. Trotz der richtigen, unvermeidbaren Hartz-Reformen, auf die die Sozialdemokratie stolz sein könnten. Auch heute noch.

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