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Die Luft um Matthias Platzeck wird dünner.

© dapd

Speer-Affäre: Für Platzeck geht es nun um alles

Brandenburgs Speer-Affäre wird 100 Tage alt - und die Luft um den Ministerpräsidenten langsam dünner. Was ist nur mit Matthias Platzeck los? Ein Kommentar.

In Brandenburg, wo Matthias Platzeck nach seinem Urlaub wieder die Regierungsgeschäfte übernimmt, naht ein ungewöhnliches Jubiläum: Einhundert Tage dauert sie schon, die große Affäre um Affären von Rainer Speer, dem Ex-Superminister und besten Ministerpräsidenten-Freund. Der vorerst letzte Akt sah so aus: Speer hat öffentlich gebeichtet, an seine 13 Jahre lang verleugnete uneheliche Tochter jetzt Unterhalt zu überweisen und die Ersatz-Alimente des Staates ans Potsdamer Jugendamt zurückgezahlt zu haben. Der Mann, der Chef der Staatskanzlei, Finanz- und Innenminister war, gehörte selbst zu den Drückeberger-Vätern, die Brandenburg jährlich Millionen kosten. Konsequenzen? Nun, Matthias Platzeck rügte die „sehr späte“ Klärung. Die Genossen wuschen dem reuigen Sünder den Kopf, der nun weiter gut bezahlt Schach auf der Hinterbank im Landtag spielen und seine Partei in der Enquete-Kommission zum Übergang von der SED-Diktatur zum Rechtsstaat vertreten darf. Was ist nur mit Matthias Platzeck los?

Das Maß in dieser brandenburgischen Affäre ist längst voll. Ganz abgesehen davon, was noch kommen mag: Gegen den Abgeordneten Speer ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Falschaussage in einem Medienprozess. Dort hatte der Noch-Verfassungsminister, anstatt Vaterschaft und Unterhalt zu klären, die Berichterstattung darüber zu verhindern versucht. Für die Ermittler steht fest, dass der in Auszügen publizierte Email-Verkehr aus der Liaison echt ist. Danach war den beiden der Missbrauch der öffentlichen Kassen bewusst und die Frau bat Speer zudem jahrelang um Zuwendung für das gemeinsame Kind. Dann wären da noch die zweifelhafte Verbeamtung der Kindsmutter, die er als Dienstvorgesetzter unterschrieb, die gefledderte Personalakte dazu. Und der Untersuchungsausschuss, der die dubiosen Verkäufe der Krampnitz-Kaserne und der BBG-Landesfirma in seiner Verantwortung aufklären soll – immer waren enge Kumpel vom Fußballverein Babelsberg 03 dicke dabei – beginnt seine Arbeit erst. Sicher ist eins, der Stoff geht nicht aus.

Früher galt Speer, der eine Belastung für seine Partei geworden ist, als Machttechniker, als emotionslos-nüchterner Stratege und Analytiker. Dass er in eigener Sache nicht die Kraft zum Rückzug von der politischen Bühne fand, mit dem er auch die Frau und die Tochter schützen würde, hat eine größere Dimension. Es stellt das Machtvakuum in der SPD bloß, nachdem mit Speers Ausfall das bisherige „System Platzeck“ implodierte. Er war der Mann, der notwendige, bittere Personalentscheidungen der Nummer eins im Hintergrund vorbereitete und exekutierte. Nun hat die SPD niemanden, der das bei Speer tut. Außer Platzeck?

Alles hängt vom Regierungschef ab. Hat er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden? Wird er nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub im Landesvorstand endlich klare Worte finden? Wird er mit der Ehrlichkeit, die ihn bislang abhob von anderen Funktionären im Politikbetrieb, seine eigene Rolle offen legen? Matthias Platzeck hat die Wahl. Er muss beweisen, ob er die SPD und damit dieses Land Brandenburg auch ohne Speer zu führen gewillt ist – und ob er die nötige Autorität, Härte und Stärke hat. Je schneller ihm das bei den unübersehbaren Erosionen gelingt, desto besser für ihn und für seine Partei. Sonst dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die Ära des Matthias Platzeck in Brandenburg zu Ende ist.

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