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Meinung: Spielführer von der Ersatzbank Von Albrecht Meier

Hat da jemand gesagt, Europa sei eine bürgerferne, bürokratische Veranstaltung? Dass in den Hinterzimmern ausgekungelt wird, wer die Spitzenposten in Brüssel bekommt?

Hat da jemand gesagt, Europa sei eine bürgerferne, bürokratische Veranstaltung? Dass in den Hinterzimmern ausgekungelt wird, wer die Spitzenposten in Brüssel bekommt? Zugegeben: Der Hinterzimmerfaktor war auch diesmal wieder mit im Spiel, als sich die Staats und Regierungschefs der EU auf den portugiesischen Regierungschef José Manuel Durao Barroso als neuen Kommissionspräsidenten einigten. Barroso ist nicht erste Wahl. Aber egal: Wenn die Wahl nun so ausgegangen ist, ist zunächst entscheidend, dass damit das Votum bei der Europawahl respektiert wird: Die Konservativen sind erneut stärkste Fraktion, da ist es nur richtig, dass auch ein Konservativer Kommissionschef wird.

Bislang ist Barroso dem deutschen Publikum vor allem dadurch aufgefallen, dass er am Vorabend des Irakkriegs einen Gipfel der Kriegskoalition abhielt. Die Spaltung Europas während des Irakkriegs ist inzwischen so gut wie überwunden. Heute streiten Konservative und Sozialdemokraten, große und kleine Länder in Europa vor allem darüber, wie viel Reform sein muss. Der Einfluss, den die Prodi-Nachfolgekommission dabei haben wird, ist nicht zu unterschätzen. Sie verfügt über die Macht, den Wettbewerb der Industrie in der EU zu überwachen und gegebenenfalls auch einschneidende Vorgaben zu machen. Ursprünglich wollten Schröder und Jacques Chirac den Belgier Verhofstadt durchsetzen, um auf diesem Wege eine möglichst industriefreundliche Kommission zu gewährleisten. Ein mächtiger Industriekommissar aus Deutschland namens Günter Verheugen war Teil dieses Plans. Die Nominierung Barrosos erinnert nun ein wenig an die Fußball-EM: Die „Großen“ sind draußen und müssen darauf hoffen, dass Barroso sich eine Kommission zusammensucht, die ihren industriepolitischen Vorstellungen einigermaßen entspricht. Wie groß Verheugens Machtbereich am Ende ist, wird sich erst noch zeigen.

Auf der deutschen Bühne ist dies ein Sieg der CDU-Vorsitzenden Merkel, die Verhofstadt verhindern konnte. Möglicherweise hat sie aber auch den Einfluss des deutschen Kommissars, der Verheugen heißen wird, verringert. Sie sollte Acht geben, dass daraus nicht ein für Deutschland und seine Industrie teurer Sieg wird.

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