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Gut gefüllt ist die deutsche Staatskasse, zumindest auf den ersten Blick.

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Staatseinnahmen: Deutschland gibt ein schlechtes Vorbild ab

Heute trifft der griechische Regierungschef Angela Merkel in Berlin. Sie wird ihn zum Sparen anhalten. Dabei schaffen das die Deutschen noch nicht einmal selbst - trotz überquellender Kassen.

Von Lutz Haverkamp

Den Griechen werden die Tränen in den Augen stehen. Während die Hellenen ein Sparpaket nach dem anderen erleiden, freuen sich in Deutschland – zumindest die Politiker – über steigende Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Am Montag verkündete das Bundesfinanzministerium ein sattes Plus, am Donnerstag folgte das Bundesamt für Statistik. Fazit: Deutschland geht es gut, die Beschäftigungslage ist rosig, der Rubel rollt, die Konjunktur brummt. Und: Die Euro- und Staatsschuldenkrise ist immer noch nicht bei den Deutschen angekommen. Rentenkürzungen, ein zerstörtes Gesundheitswesen, Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Verschuldung vormals gutbürgerlicher Gesellschaftsschichten? Das mag Griechen und Spanier umtreiben, an den Bundesbürgern geht das in dieser Form bis heute weitgehend vorbei.

Also alles bestens? Leider nicht! Denn die deutsche Politik verpasst eine großartige Chance. Das, was Abgeordnete gerne Konsolidierungspolitik nennen und übersetzt Sparen heißt, findet hierzulande immer noch nicht statt. Deutschland hat inzwischen mehr als zwei Billionen – also 2000 Milliarden, will sagen 2 000 000 Millionen, oder auch 2 000 000 000 000 – Euro Schulden angehäuft. Das ist knapp der Gegenwert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr in Deutschland produziert und verkauft werden.

Als Angela Merkel im Jahr 2005 die Amtsgeschäfte – erst mit der SPD, ab 2009 mit der FDP – übernahm, zahlten die Steuerzahler 452 Milliarden Euro an den Fiskus. Im vergangenen Jahr waren es satte 121 Milliarden Euro mehr. Und in diesem Jahr könnte das alles von neuen Rekordeinnahmen nochmals übertroffen werden – sagt das Bundesfinanzministerium. Aber ausgeglichene Haushalte? Fehlanzeige! Die Ausgaben übertrafen die exorbitant gestiegenen Einnahmen immer noch. Neue Schulden, trotz nie dagewesener Einnahmen. Das führte unter anderem dazu, dass jeder achte Euro für Schuldzinsen des Bundes ausgegeben werden muss, für Bildung und Forschung ist es nur jeder 25. Euro.

Der Verweis auf die Krise ist wohlfeil. Natürlich hat sie Wirtschaftskraft und damit Geld und Steuereinnahmen gekostet. Aber sie verkleisterte auch die fehlende Bereitschaft, den fehlenden Mut der Politik, endlich auf einen nachhaltigen, generationengerechten, schuldenfreien Kurs umzuschwenken. Auch die Schuldenbremse reicht nicht. Denn wer bremst, steht noch nicht. Wer seine Neuverschuldung abbaut, verschuldet sich zwar langsamer, aber er verschuldet sich weiter. Was fehlt ist ein Schuldenstopp, beim Bund, in den Ländern und Gemeinden. Was den Bürgern heute als Konsolidierungspolitik verkauft wird, ist nichts anderes als der Segen der rasant steigenden Einnahmen. Das ist keine Politik. Das ist nur Glück.

Was den deutschen Politikern in einem luxuriösen Umfeld nicht gelingt, verlangen sie in hoher Potenz gleichzeitig von den Griechen. Die haben sich zwar selbst in die missliche Lage gebracht, dennoch darf man von hiesigen Akteuren mindestens verbale Zurückhaltung verlangen. Die Griechen haben eine lange Zeit der Entbehrung vor sich. Eine, wie sie sich hierzulande kaum einer vorstellen mag. In Deutschland geht es vielleicht darum, auf das Betreuungsgeld zu verzichten, Ausnahmen beim vollen Mehrwertsteuersatz zu streichen oder Subventionen zu kürzen. Dass das vermutlich alles nicht gelingt, sollte wiederum den Deutschen die Tränen in die Augen treiben.

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