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Staatsfinanzen: Falschspiel im Amt

Der Vizekanzler verspricht Steuersenkungen, verweigert aber Angaben über die dafür nötigen Ausgabenkürzungen. Der Finanzminister kündigt an, die Verschuldung zurückzufahren, sagt aber nicht, wem er das Geld wegnehmen will. Ihre christsozialen Partner aus München behaupten, Sparen sei gar nicht nötig. Und über dem Spektakel thront eine entrückte Kanzlerin, die zu den Niederungen der maroden Staatsfinanzen lieber gar nichts mehr sagt.

So erweisen sich die Akteure der christliberalen Regierungskoalition inzwischen in einem Maße als unseriös, das selbst die gelernten Zyniker beim Bundesrechnungshof erschüttert.

Das begann bereits mit dem kürzlich beschlossenen acht Milliarden Euro schweren Steuerentlastungsprogramm. Da verliehen die Realitätsverweigerer im Amt einer Lüge Gesetzeskraft, indem sie die Steuernachlässe für ihre Klientel zur „Wachstumsbeschleunigung“ verklärten. Tatsächlich werden die erlassenen Steuermilliarden vor allem Hotelbesitzern, reichen Erben und Kapitalbesitzern zugutekommen, also nur solchen Leuten, die auch bei steigenden Nettoeinkommen ihren Konsum kaum noch steigern werden. Selbst der höhere Kinderfreibetrag nutzt überwiegend den Besserverdienenden, während arme Familien leer ausgehen. Und die Behauptung, die nun schon fünfte Senkung der Unternehmens- und Gewinnsteuern binnen eines Jahrzehnts werde zu höheren Investitionen führen, wird auch durch Wiederholung nicht wahrer. In Wahrheit gibt es keinerlei empirischen Beleg, dass Steuersenkungen jemals die wirtschaftliche Leistung erhöht hätten. Nachweisbar ist allerdings, dass die Ausdünnung der Staatseinnahmen zum Abbau der staatlichen Investitionen führt. Nicht zuletzt deshalb ist Deutschland bei den Bildungsausgaben im Vergleich der Wohlstandsländer der OECD inzwischen auf den drittletzten Platz abgerutscht.

Gleichzeitig erreicht die Verschuldung beängstigende Dimensionen. Allein mit den Zinsausgaben des Bundes könnten die Ausgaben für alle deutschen Universitäten mal eben verdreifacht werden. In dieser Lage weitere Steuersenkungen zu versprechen, ist schlicht verantwortungslos. Insofern tut Finanzminister Schäuble gut daran, dieses Ansinnen zurückzuweisen. Aber auch er spielt falsch, indem er jede Angabe verweigert, wie er ab nächstem Jahr die nun sogar per Grundgesetz vorgeschriebene Minderung des Defizits erreichen will. Sein Hinweis, dafür sei die Steuerschätzung im Mai abzuwarten, ist ebenso fahrlässig wie durchsichtig. Das Manöver soll lediglich den anstehenden Großkonflikt um die Haushaltssanierung auf die Zeit nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verschieben.

Dabei ist aber längst klar, dass die Kanzlerin und ihr Finanzminister ihren staatszersetzenden Koalitionspartnern eine grundlegende Korrektur des Koalitionsvertrages werden abringen müssen. Das darin gegebene Versprechen, auch in der Krise die Steuern nicht zu erhöhen, ist nur haltbar, wenn die Zuschüsse zu den Sozial- und Krankenkassen in zweistelliger Milliardenhöhe gekürzt würden. Damit müssten aber gleichzeitig die Sozialbeiträge so drastisch steigen, dass die Regierung die ganze Republik gegen sich aufbringen würde. Nicht zufällig dringen daher sogar Unionspolitiker auf eine Finanztransaktionssteuer, wie sie die Globalisierungskritiker schon seit Jahren fordern. Würden dazu noch die Steuern auf Vermögen, Erbschaften und Grundbesitz nur auf das durchschnittliche Niveau der OECD-Staaten angehoben, kämen gut 30 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse, und das ohne die Kaufkraft wesentlich zu mindern.

Wem das zu radikal erscheint, der sollte die Alternativen bedenken. Je größer das Zinsloch in den Staatsfinanzen wird, umso deutlicher klaffen Steuerlasten und die dafür erbrachten staatlichen Leistungen auseinander. Noch stehen die meisten Bürger zu diesem Staat. Aber wenn es nicht gelingt, die Zinslast wieder zu verringern, dann wird diese breite Zustimmung früher oder später in dieser Kluft verschwinden – und mit ihr die politische Stabilität des ganzen Landes.

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