zum Hauptinhalt
Der Euro ist erstmal wieder im Trocknen. Erstmal.

© dpa

Staatsschulden-Krise: Der Euro ist gerettet, aber wofür eigentlich?

Mit den neuen Hilfsmilliarden für Athen ist das Überleben des Euro sichergestellt. Doch damit allein ist wenig gewonnen. Jetzt muss sich die Europäische Union neu erfinden, sonst scheitert das Projekt politisch.

Der Euro ist gerettet, Griechenland ist gerettet: Das sind lang ersehnte Nachrichten, die noch nicht alle für bare Münze nehmen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Währungsgemeinschaft zerbricht, geht jetzt gegen null. Das liegt allerdings weniger an dem in zwei Nachtsitzungen in Brüssel errungenen Kompromiss, Griechenland im Dezember 35 Milliarden Euro zu überweisen.

Der Stimmungsumschwung geht vielmehr auf zwei Bekenntnisse zurück, die sich heute alle Euro-Protagonisten zu eigen machen. Erst sagte Mario Draghi, dass die Europäische Zentralbank bereit sei, „alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu erhalten“. Alles! Dann ergänzte Wolfgang Schäuble, am Verhandlungstisch der mit dem größten Topf: „There will be no Staatsbankrott.“ Der jüngste Deal von Brüssel ist quasi das Kleingedruckte zu diesen beiden Grundsätzen.

Der Euro ist gerettet, Griechenland ist gerettet: Mit diesen Nachrichten ist allerdings nur wenig gewonnen. Die Vorstellung, dass Griechenland binnen wenigen Jahren mustergültig im globalen Wettbewerb besteht, ist jedenfalls abwegig. Wie soll sich ein vorindustrieller Agrarstaat mit ordentlichem Tourismus, aber einem kaputten Staatswesen, so schnell ändern?

Nur fällt das über die Jahre vielleicht auch gar nicht so ins Gewicht. Griechenland ist für Europa wirtschaftlich so etwas wie das Saarland für die Bundesrepublik war: dauerhaft auf Unterstützung angewiesen, aber dank der geringen Größe wenig relevant, ein Appendix, der zuweilen schmerzt. Ein Schuldenschnitt hilft dagegen, keine Frage. Vor allem würde er das Regieren in Griechenland erleichtern, aber eben auch falsche Signale an andere Staaten senden. Und sicher spielt bei der deutschen Ablehnung das nahende Wahljahr eine Rolle. Die Bundesregierung will jetzt nicht beschließen, was am Ende wohl doch kommt. Dann werden Fortschritte in Griechenland diagnostiziert werden, die es zu unterstützen gilt.

Der Kompromiss geht trotzdem in Ordnung, wenn man von Phänomenen am Rande absieht. So hat die langwierige Debatte des Schuldenrückkaufprogramms dazu geführt, dass Zocker ihren Einsatz mit bestimmten Griechenland-Anleihen binnen wenigen Wochen verdoppeln konnten. Aber es ist weniger Einsicht als Furcht, die zum Kompromiss geführt hat: Der Euro ist zu groß, um zu scheitern. „Too big to fail“ beschreibt allerdings, wie die Bankenkrise gezeigt hat, nur einen Zustand. Ein politisches Programm ist das nicht; das aber wird es brauchen.

Der Euro ist gerettet, aber wofür eigentlich? Die Finanzkrise morpht gerade in eine Demokratiekrise. In den EU-Gremien sind die Abläufe so komplex, und wenn sie dann in Deutschland auch noch auf den Bund und 16 Bundesländer treffen, ist die Intransparenz total. Natürlich lässt sich der Streit um den EU-Haushalt als Beleg für die Unersättlichkeit des Molochs erzählen. Immerhin geht es um mehr als eine Billion Euro. Aber die Summe soll über einen Zeitraum von sieben Jahren fließen und zudem zu 94 Prozent zurück in die Mitgliedstaaten: für Landwirtschaft, Infrastruktur und die vielen Dinge, die in Griechenland, Spanien und anderswo besser werden sollen.

Das Kleingedruckte macht aber keinen Sinn, wenn die Überschrift nicht stimmt. Die EU muss sich richtiggehend neu erfinden. Der größte Wirtschaftsraum der Welt als Gegenstück zu den Marktmodellen sowohl angelsächsischer als auch totalitärer Prägung, als ein Ort des solidarischen Ausgleichs und der Freiheit – das gäbe der Gemeinschaft Sinn. Das Ende der Euro-Krise muss ein Anfang sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false