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SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück.

© dpa

Steinbrück und Merkel: Wendepunkt im Wahlkampf

Die Auseinandersetzung nimmt Fahrt auf, Programme und Persönlichkeiten werden von jetzt an konturiert, nicht mehr bloß modelliert. Das gibt Hoffnung: auf Spannung im Wahlkampf.

Es ist vielleicht ganz gut so, und zwar für alle, die Wahlkampf machen müssen. Aber auch für die, denen er bei der Urteilsfindung helfen soll. Gut also, dass die SPD erst mal alle Hoffnung fahren lassen musste, um wieder neue schöpfen zu können. Und damit ist jetzt nicht das verhinderte Tempolimit gemeint. Obwohl – bei genauem Hinsehen kann das ein Wendepunkt gewesen sein. Nicht die ganzen Reden von Peer Steinbrück, mal besser, mal schlechter, nie ganz übel. Sie haben den Genossen keine rechte (oder linke) Hoffnung vermitteln können, die allein als Brücke zueinander und zum Wähler getragen hätte. Davor war doch zu viel an, sagen wir, verwirrenden Blinkzeichen. Es war ja schon so schlimm, dass sogar Helmut Schmidt und Gerhard Schröder eingreifen mussten.

Und dann bretterte Sigmar Gabriel los, begab sich auf die Selbstüberholspur. Er meinte es womöglich irgendwie gut, wollte den Grünen entgegenkommen, die sich ansonsten ziemlich versteuert haben; wollte die SPD dann wieder davon absetzen, gewissermaßen als Partei der verkehrstechnischen Vernunft oder so ähnlich – bis zu Steinbrück. Endstation einer Dienstirrfahrt.

Womit der Kandidat seiner Partei und der Gegenkandidatin bedeutet hat, dass er eine Nummer 1 sein kann. Ruhig ausgesteuert, und dann noch nebenbei ein paar Leute angeheuert, die ihm so auch keiner mehr zugetraut hätte. Den linken Gewerkschaftsboss Klaus Wiesehügel, die kreative Digitalprofessorin Gesche Joost. Und beide sagen ganz unaufgeregt, geradezu auf Merkelsch, dass der Peer Steinbrück sie überzeugt habe. Schon seit längerer Zeit. Das ist eine Seite, die man von ihm bisher nicht kannte: dass er das kann, nachhaltig auf Menschen einwirken. Das wiederum kann – genau: beim Wähler nachhaltig wirken. Da wird auch der Nebenwiderspruch, dass Wiesehügel gegen die Agenda 2010 war und ist und Steinbrück dafür, kurz mal überlagert. In der Regierung zu sitzen hat ja auch schon andere verändert.

Und das alles in der Zeit, in der Angela Merkels DDR-Vergangenheit zum Thema wird. Klar, wer es wissen wollte, konnte es wissen. Aber wie es ihr gelang, die Fliehkräfte auszuhalten, die an ihr gezerrt haben müssen – das kann schon noch neue Fragen aufwerfen. Hier das evangelische Pfarrhaus, da die FDJ-Sekretärin für Kultur, zu der Agitation und Propaganda gehörte: Man kann verstehen, warum ihr die große Koalition lag. Herz-Jesu-Marxisten wurden in der CDU die Norbert Blüms und andere Christsoziale früher spöttelnd genannt; das passt auch hier, das Ganze ins Positive gewendet, ganz gut.

Aber der Begriff „Reformkommunistin“, der jetzt die Runde macht, ist von noch anderer Qualität. Und klärungsbedürftig. Von Merkels Seite. Denn den kann die CDU, die sowieso wegen der vielen unerklärten Positionswechsel in Teilen argwöhnisch ist, ohne es zu laut zu sagen, gar nicht gut vertragen. Wenn sie ihrem Ruf als Kanzlerinnenwahlverein treu bleiben soll, dann darf das Signal bei ihren Wahlhelfern aber nicht auf Rot stehen bleiben. Zumal vor dem Hintergrund wird Merkel jetzt bei weiteren Annäherungen an die Grünen bremsen, bremsen müssen. Um nur schon parteiintern keinen neuen Verdacht zu streuen.

Die Auseinandersetzung nimmt Fahrt auf, an den Kandidaten werden andere Seiten deutlich, Programme und Persönlichkeiten werden von jetzt an konturiert, nicht mehr bloß modelliert. Das gibt Hoffnung: auf Spannung im Wahlkampf. Ist bestimmt für alle gut so.

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