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Der Checkpoint Charlie. Ort des Gedenkens mit ramschtouristischem Flair.

© dpa

Streit um Museum des Kalten Kriegs: Lasst den Checkpoint Charlie in Ruhe

Der Checkpoint Charlie darf nicht überfrachtet werden, meint unser Gastautor Dieter Flämig. Nicht mit Ramschbuden und auch nicht mit einem weiteren Museum. Die historische Bedeutung des Ortes lässt keine intellektuelle Verknotung zu.

Authenzität. Genius loci. Eigentlich wissen wir schon von den Alten und Weisen, dass ein wertvoller Ort der Geschichte Würde braucht. Dass dort weniger mehr ist. Eigentlich. Der Umgang mit der Ausgestaltung des Checkpoint Charlie lässt oft daran zweifeln. Imbissbuden en masse, Ramsch en gros! Ein Museum des Kalten Krieges als pädagogische Sondermaßnahme, damit hochprofessionell der Nimbus des Ortes zerlegt wird. Diesem Duktus des Zerlegens folgt auch der Beitrag „Verschwendetes historisches Kapital“ von Gerd Nowakowski im Tagesspiegel.

Der Checkpoint Charlie ist aber der Checkpoint Charlie: ein ehemaliger Grenzübergang mitten in Berlin, wo es am 27. Oktober 1961 zu der weltbekannten Panzerkonfrontation der beiden Großmächte USA und Sowjetunion gekommen ist.

Gerd Nowakowskis Kommentar zum Streit um das Museum des kalten Kriegs am Checkpoint Charlie

An diesem Tag haben die Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin mit großem Nachdruck signalisiert, dass sie nicht bereit sind, der aggressiven Besitznahmepolitik der Sowjetunion auch nur einen weiteren Zentimeter entgegenzukommen. Die sofortige Entsendung von Vizepräsident Lyndon B. Johnson und des „Luftbrückengenerals“ Lucius D. Clay (19.08.1961) unterstrichen in diesen Wochen des Mauerbaus ebenso wie die symbolische Aufstockung des Berliner US-Truppenkontingents um 1500 Soldaten die für den Westteil Berlins so wichtige Entschlossenheit der USA. Das war kein Theaterdonner, sondern der Wille einer demokratischen Weltmacht, für die Berliner im freiheitlichen Teil der Stadt notfalls das eigene Schicksal ganz einzubringen.

Der Checkpoint Charlie. Ort des Gedenkens mit ramschtouristischem Flair.
Der Checkpoint Charlie. Ort des Gedenkens mit ramschtouristischem Flair.

© dpa

In den Augen der Heutezeit und nach vielen zusätzlichen Kriegserfahrungen ist das alles für viele ein befremdliches Kettengerassel. Aber damals, 16 Jahre nach dem 2. Weltkrieg und der Hitler-Diktatur, war diese Haltung für viele Deutsche ein sehr wertvolles Fanal. Die Freiheit der Besiegten war den Amerikanern im äußersten Fall mehr wert als das Leben der eigenen Staatsbürger. Dieses Erlebnis ist mit dem Checkpoint Charlie wie mit keinem anderen Ort auf ewig verbunden.

Deshalb sollten wir diesen Ort nicht überfrachten mit einer Epigonenphilosophie. Hätten die Amerikaner schon vor 1961 mehr klare Zeichen setzen sollen, wie es in dem Artikel von Gerd Nowakowski anklingt? Vielleicht, wenn der konkrete Mauerbau frühzeitig als eindeutige Drohung im weltpolitischen Raum gestanden hätte. Aber wir erinnern uns, dass bis hin zu Walter Ulbricht („Niemand hat die Absicht....“) alles auf der Ostblockseite getan wurde, um den gegenteiligen oder zumindest einen verwirrenden Eindruck zu erwecken!

Bildergalerie: Rumpelkammer Checkpoint Charlie:

Im Nachgang zum Chruschtschow-Ulitmatum (1958), seiner Erneuerung in Wien (3 Jahre später) und im Vorfeld der Kuba-Krise (1962) haben die USA 1961 mit ihren 3 Essentials für die Westsektoren (freier Zugang, Verbleiben der westlichen Truppen, Freiheit der Berliner) den richtigen Mittelweg gefunden, um einem 3. Weltkrieg vorzubeugen und trotzdem in der Substanz festzubleiben.

Wie weit wollen wir angesichts dieser geschichtlichen Zusammenhänge eigentlich noch gehen bei der Relativierung dieser weltgeschichtlichen Leistung der USA?!

Der Checkpoint Charlie ist ein Ort, den wir einfach und ohne intellektuelle Verknotungen dem Amerika widmen sollten, das uns von der Hitler-Tyrannei befreit hat, das uns eine freiheitlich-demokratische Ordnung ermöglicht hat, das den Berlinern in der Blockade beigestanden hat und das dem Westteil Berlins spätestens in der Zeit des Mauerbaus mit großer Entschiedenheit zur wichtigsten Schutzmacht wurde.

Lassen wir diesen Ort so wirken, wie er historisch gewachsen ist und ersparen wir uns und unseren Nachfahren an dieser Stelle Berlins jeden Versuch der Entwertung, Nivellierung oder Überforderung – auch in Form musealer Geschichtsnachbereitung durch ein Museum des Kalten Krieges. Dieses gehört in den geplanten Museumskomplex des ehemaligen Flughafens Tempelhof, wo das Luftbrückendenkmal daran erinnert, dass der Lebens- und Freiheitswille der Menschen letztlich stärker als jede Art von Krieg ist.

Dieter Flämig ist Staatssekretär a. D. und war von 1991 bis 1992 Sprecher des Berliner Senats und Chef des Berliner Presse- und Informationsamtes nach der Wiedervereinigung. Er ist geborener Berliner (Jahrgang 1950).

Dieter Flämig

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