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Streit ums Benzin: Vom Acker bringen

Die Autobauer verkaufen lieber große Karossen, die mehr schlucken, und die Regierung hält den benzingetriebenen Ottomotor vermutlich, wie schon die Atomenergie, für eine Brückentechnologie, die noch ein paar Jahrzehnte unbesorgt genutzt werden kann. Das ist ein Irrtum.

Am Ende war es dann wie immer, wenn Politik oder Wirtschaft ein Thema verpennt haben. Nachdem Wähler und Verbraucher laut und wütend genug gegen offenkundigen Unsinn protestiert haben, sagt oder schreibt der Verursacher des Schlamassels zerknirscht: „Wir haben verstanden“ und verspricht umgehend Besserung.

Wahrscheinlich haben sich die drei Bundesminister, die am Dienstag im Wirtschaftsministerium bei Rainer Brüderle konferierten, an diesem Mittag zum ersten Mal wirklich ernsthaft mit dem neuen Treibstoff E10 befasst. Sonst hätten sie nicht so lange darüber reden müssen, warum der gut gemeinte Versuch, herkömmliches Benzin mit aus Pflanzen gewonnenem Ethanol zu strecken, bei den Autofahrern so schlecht ankam. Und gut gemeint war die Idee, den Verbrauch des endlichen Rohstoffes Öl durch Zusatz des aus Weizen, Zuckerrüben und Mais gewonnenen Ersatzstoffes zu strecken. Dadurch wird auch die Menge klimaschädlicher Abgase deutlich reduziert. Das Reduktionsziel hatte die EU vorgegeben. Den Weg, es durch den Treibstoff E10 zu erreichen, schrieb sie aber nicht vor, das war eine deutsche Entscheidung.

Gut gemeint ist jedoch nicht unbedingt gut gemacht. Neben bekannten Nachteilen des Zusatzes – er ist weniger energiereich als aus Öl gewonnener Treibstoff –, wucherten die Gerüchte über mögliche schlimme Folgen der Betankung mit E10. Daran war vor allem eine miserable Informationspolitik sowohl der Mineralölfirmen als auch der Autohersteller und der schwarz-gelben Koalition schuld. Keiner der drei Verursacher dieses Desasters hat offenbar bis gestern ein wirkliches Interesse an Klarheit gehabt: Die Mineralölkonzerne vermarkten lieber teures Superbenzin. Die Autobauer verkaufen lieber große Karossen, die mehr schlucken, und die Regierung hält den benzingetriebenen Ottomotor vermutlich, wie schon die Atomenergie, für eine Brückentechnologie, die noch ein paar Jahrzehnte unbesorgt genutzt werden kann.

Das ist ein Irrtum. Nicht erst seit der Ölkatastrophe vor der Südküste der USA muss jedem bewusst sein, dass die Ausbeutung der letzten, schwer zugänglichen Ölreserven unter immer aufwendigeren und riskanteren Bedingungen erfolgt. Neben diesem Raubbau an der Natur nimmt der Raub-Anbau des sogenannten Agrosprits immer bedenklichere Dimensionen an. Die Weltmarktpreise für Weizen und Mais sind in kurzer Zeit um 75 Prozent gestiegen, auch weil die Hungernden der Dritten und der Zweiten Welt mit den Biospritproduzenten in den Industrienationen, vor allem in den USA, um die knapper werdenden Ressourcen kämpfen. Mais, Zuckerrüben und Getreide, die vertankt werden, können niemand mehr ernähren.

Eine Informationskampagne soll es nun richten. Die hätte man von den Ministern Röttgen, Brüderle und Aigner schon vorher erwarten können. Das Tankstellenpersonal kann einem bereits jetzt leid tun, wenn es in der Hektik des Betriebs Auskunft über die E10-Kompatibilität eines jeden Motors geben soll. Eine zentrale Unterrichtung aller Fahrzeughalter durch das Kraftfahrzeugbundesamt wäre vernünftiger und vor allem zuverlässiger gewesen. Aber noch klüger als eine Informationsaktion wäre eine Innovationskampagne. Eine massive staatliche Förderung der Motoren- und Antriebsforschung wäre zum Beispiel weit zukunftsorientierter als eine Subvention des Agrosprits. Was wir brauchen, ist weniger der Treibstoff vom Acker als eine Technik, die nicht mehr auf Rohöl angewiesen ist.

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