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Stuttgart 21: Großprojekt auf dem Abstellgleis

Wer die Fernsehübertragung aus Stuttgart von der Präsentation des Stresstestes zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 verfolgt hat, dem kann nur Übles schwanen. Dieser Konflikt ist nicht lösbar, die Zeichen stehen auf Konfrontation, latente Gewaltbereitschaft ist spürbar.

Wer die ersten Stunden der Fernsehübertragung aus Stuttgart von der Präsentation des Stresstestes zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 verfolgt hat, dem kann nur Übles schwanen. Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Noch viel stärker als bei den von Heiner Geißler geleiteten Gesprächen im vergangenen Jahr zeigt sich jetzt die Unversöhnlichkeit der Positionen. Die einen wollen einen tief gelegten Bahnhof mit aufwendigen Tunnelanschlüssen bauen, die anderen genau das verhindern und den jetzigen Sackbahnhof bewahren. Da jeder dem anderen Inkompetenz unterstellt, kann es eigentlich keinen Kompromiss geben. Halb oben, halb unten, das geht nicht, dachte man. Bis Freitagabend. Nun schlägt Heiner Geißler die Verwürfelung des Balls vor – ein bisschen Verkehr unter der Erde, ein bisschen weiter im alten Sackbahnhof. Deutlicher kann man nicht sagen, dass die bisherige Planung der Bahn unzureichend ist.

Im Einvernehmen mit den Projektgegnern war die angesehene Schweizer Firma SMA mit der Durchführung des sogenannten Stresstests beauftragt worden, eines Tests, der die von der Bahn behauptete Leistungssteigerung gegenüber dem jetzigen Kopfbahnhof bestätigen oder widerlegen sollte. Die Bahn hat, was dumm war, die Gegner nicht in die Formulierung der Aufgabenstellung an SMA eingebunden. Das Ergebnis der Expertise ist entsprechend. Die Bahn behauptet, der Stresstest sei bestanden, die SMA sagt das, etwas leiser, auch, die Gegner hingegen belegen, vom Moderator unterstützt, dass der neue Bahnhof nicht geeignet ist, Verspätungen abzubauen. Zeitgewinn war aber – neben der Kapazitätssteigerung – ein wichtiges Argument für die Bahn, das Milliardenprojekt gegen alle Widerstände durchziehen zu wollen.

Nun kann man sicher neue Stresstests oder Ergänzungen anordnen, und man kann das so lange tun, bis einem das Ergebnis passt. Man muss auch fragen, warum die Bahn nicht vor Baubeginn einen solchen Test durchführen ließ. Aber die Debatten, die vor 15 Jahren nicht geführt wurden, kann man jetzt kaum nachholen. Das Vorhaben ist korrekt zustande gekommen. Dass man es heute anders angehen würde, ändert an der Rechtslage nichts. Und es ist auch nicht so, dass ganz Baden-Württemberg gegen das Projekt wäre. Mit wachsender Entfernung von der Landeshauptstadt steigt die Akzeptanz. Auch Stuttgart selbst profitierte immens von dem Umbau. Wer auf einer Luftaufnahme sieht, wie der jetzige Kopfbahnhof sich mit seinen Gleisanlagen als Keil in die Innenstadt bohrt, begreift den Qualitätszuwachs für das Leben in der Stadt. Wenn das jedoch das Hauptziel ist, und nicht eine schnellere Bahn, hätte man das sagen müssen. Geißlers Kompromissvorschlag, würde er realisiert, machte diesen Vorteil aber zunichte.

Es ist der Zug der Zeit, dass man derartige Großplanungen heute nicht mehr so, obwohl rechtmäßig, letztlich ohne öffentliche Beteiligung durchziehen kann. Die Bürger ertragen dieses arrogante Vorgehen nicht mehr. Die heimlichen Flugroutenplaner von Berlin bekamen das dank Stuttgart zu spüren. In Baden-Württemberg wird am Ende das Ergebnis des Volksentscheids das K.-o.-Kriterium sein, ob S 21 gebaut wird oder nicht. Das werden die Projektgegner akzeptieren müssen, aber auch die Bahn. Von der zwingenden Notwendigkeit des Bauvorhabens als Verkehrsprojekt konnte sie gestern weniger denn je überzeugen. S 21 ist auf dem Abstellgleis gelandet. Ob es dieser Zug überhaupt noch einmal auf das Hauptgleis schafft, ist sehr fraglich.

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