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Mit Schuhen getreten: Türkische und syrische Demonstranten protestieren in Ankara gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

© dpa

Syrien: Regime wird mit Waffen zu Fall gebracht

Die Arabische Liga kündigt Wirtschaftssanktionen gegen Syrien an. Die Institution, die die arabische Einheit verkörpern soll, schließt das Land aus, das wie kein anderes den arabischen Nationalismus verkörperte.

Täglich Tote, täglich weltweites Entsetzen über die brutale Repression – aber acht Monate nach Beginn des Aufstands in Syrien ist das Regime von Baschar al Assad noch immer an der Macht. Doch die Gewichte haben sich in den vergangenen Tagen entscheidend verschoben. Die Arabische Liga schaut nicht mehr weg, sondern hat Syriens Mitgliedschaft suspendiert und Wirtschaftssanktionen angekündigt. Die symbolische Wirkung ist enorm: Die Institution, die die arabische Einheit verkörpern soll, schließt das Land aus, das wie kein anderes den arabischen Nationalismus verkörperte. Im Inneren haben die in der Freien Armee zusammengeschlossenen Deserteure einen spektakulären Angriff auf ein Geheimdienst-Hauptquartier gewagt und weitere Gegenstrukturen aufgebaut: einen zentralen Militärrat, Gerichtshöfe und eine Militärpolizei.

Damit ist nun deutlich, wie das Regime zu Fall gebracht werden wird: Nicht durch friedliche Massenproteste, sondern durch bewaffneten Kampf, der von außen durch Waffen und Training unterstützt werden wird. Und durch wirtschaftliche Drangsalierung, die früher oder später dazu führen soll, dass die Wirtschaftseliten und die Mittelschicht in den beiden Großstädten Damaskus und Aleppo sich auch von der Regimeclique abwenden, von der sie bisher profitierten. Denn ein großer Teil der Bevölkerung hat dies noch nicht getan hat.

Gleichzeitig verschieben sich die Gewichte in der Region. Wenn die Arabische Liga nun Syrien isoliert, ist es vor allem das Verdienst des winzigen Golfstaates Qatar, dessen Außenminister das Syrien-Komitee mitleitet. Qatar füllt seit Monaten geschickt das Machtvakuum, das durch die Umstürze entstanden ist. Und die Rolle, die es beim Sturz des libyschen Regimes gespielt hat, wird es jetzt im Kampf gegen Damaskus – diesmal in Kooperation mit der Türkei – neu auflegen: In Libyen soll das gasreiche Qatar Hunderte Millionen Dollar an die Aufständischen weitergeleitet, Waffen ins Land gebracht und militärische Ausbildung organisiert haben. Ein alternativer libyscher Fernsehsender wurde in Doha geschaffen, das mit seinem Sender „Al Dschasira“ ohnehin Politik in der Region betreibt. Damit schafft sich der Zwerg Qatar seinen Platz auf der politischen Landkarte der Region.

Dem Westen kann dieses Szenario recht sein: Er muss nicht militärisch eingreifen, was er weder kann noch will. Neu würde sich die Frage stellen, wenn die Arabische Liga schließlich doch das Dossier an den UN-Sicherheitsrat weiterleiten würde. Dessen Mitglieder könnten statt Flugverbotszone wie im Falle Libyens dann die Unterstützung der bewaffneten Rebellen durch Material und Ausbilder beschließen. Denn selbst Russland und China geht langsam die Puste aus bei der Rückendeckung für Assad.

Auf der Strecke bleiben in diesem Szenario die unbewaffneten Demonstranten, die die Aufstände ausgelöst haben. Sie allein können das Regime nicht stürzen. Das Problem der zivilen Opposition ist aber auch, dass sie zersplittert ist in zahlreiche Organisationen und zwei Dachorganisationen im Inneren und im Exil, die nicht mit einer Stimme sprechen. Und nun haben sie mit dem Militärrat der desertierten Soldaten eine mächtige „Konkurrenz“ bekommen. Die Auseinandersetzung mag noch lange dauern und auch den Nachbarn Libanon ins Verderben reißen. Doch schon jetzt sind auch die ersten Weichen für die Zeit nach Assad gestellt: Bewaffnete Kräfte werden das Sagen haben.

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