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T-Mobile: Heideggers Hammer

Der Ausfall bei T-Mobile zeigt, wie sehr die Technik heute unser Leben bestimmt. Ein Kommentar von tagesspiegel.de-Chefredakteurin Mercedes Bunz

Plötzlich geht es nicht mehr. Das Mobiltelefon, für viele zur wichtigsten Verbindung zu Familie, Freunden und zum Berufsleben geworden, bleibt stumm. Die Kommunikation mit der Außenwelt ist gekappt. Doch statt Erleichterung macht sich nervöse Unruhe breit. Ja, der Terror der ständigen Erreichbarkeit ist zur Normalität geworden, der Ausfall des Mobiltelefons wird als störend empfunden. Millionen von T-Mobile-Kunden schalteten am Dienstagnachmittag ihr Gerät aus und wieder an und überlegten, ob sie ihre Telefonrechnung beglichen haben. Beinahe erleichtert wird schließlich registriert, dass der Fehler nicht bei einem selbst, sondern bei der Telekom zu suchen ist.

Wir haben uns an ein reibungsloses Funktionieren der Technik gewöhnt. Was für eine große Rolle sie spielt, merken wir erst, wenn sie ihren Geist einmal aufgibt. Dann wird klar: Die Technologie greift heute mit einer Kraft in das Leben von Menschen ein, wie wir es bislang nur von Mutter Natur kannten, genauer gesagt von jenen Momenten, in denen sie sich nicht wie eine Mutter benimmt, sondern wie eine erbarmungslose Furie. Technik wird in unserem Alltag immer wichtiger, sie bestimmt das Schicksal des 21. Jahrhunderts. Und mit der zunehmenden technischen Vernetzung trifft ihr Ausfall immer mehr Menschen.

Anfang Januar 2009 hatte ein Komplettausfall des Netzwerkes den deutschen Bahnbetrieb heimgesucht, Ticketsysteme und Anzeigentafeln waren gestört, die elektronische Information für Lokführer versagte, Züge fielen aus. Die Bahn versank für einen Tag im Chaos. Nichts ging mehr. Auch bei der Fernsehübertragung der Fußball-EM versagte die Technik: Im Sommer 2008 verfolgten über 32 Millionen Fans die Fernsehübertragung des Halbfinals Deutschland gegen die Türkei, als mit einem Male anstelle des Spieles ein lächelnder Béla Réthy auf der Bildfläche erschien. „Bildausfall“, las der entsetzte Zuschauer. Ein Stromausfall im internationalen Fernsehzentrum in Wien hatte die Übertragung gekappt. Auch das Notstromaggregat versagte.

Noch größere Auswirkungen hatte 2006 das Abschalten einer Hochspannungsleitung wegen der Ausschiffung eines in Papenburg gebauten Kreuzfahrtschiffes. Mangelhafte Vorbereitung verursachte einen länderübergreifenden Stromausfall. Teile von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und Spanien waren bis zu zwei Stunden ohne Strom, bis nach Marokko waren die Auswirkungen zu spüren. Zehn Millionen Haushalte und weitaus mehr Menschen waren betroffen.

Immer erst wenn die Technik beginnt, sich wie ein Teenager zu benehmen, wenn sie auffällig und aufsässig wird, registrieren wir sie und fragen empört nach dem Schuldigen. Darüber, wie das Seinsverständnis umschlägt, wenn etwas nicht in seinen gewohnten Bahnen funktioniert, philosophierte Martin Heidegger schon vor langer Zeit anhand eines kaputten Hammers. Heute ist aus dem Hammer ein ganzes Netzwerk geworden und aus dem einen verzweifelten Handwerker der Großteil einer Bevölkerung. Immer noch halten wir dann einen Moment lang inne und registrieren beunruhigt unsere neue Abhängigkeit. Immerhin: Solange das technische Netz kein Monopol ist, gibt es einen Ausweg. Man kann sich ganz kommunikativ ein Telefon vom Nachbarn leihen.

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