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Tarifstreit bei der Bahn: Vorschlag zur Güte

Tarifauseinandersetzungen funktionieren in der Regel so, dass eine Seite etwas fordert, die andere weniger anbietet, und am Ende steht ein Kompromiss. Im Fall der Bahn ist das übliche Tariftheater nicht möglich. Die Herren Mehdorn und Schell lassen sich kaum einen Ausweg.

Die Gegner gleichen sich. Diese beiden fast gleich alten Herren gelten einer wie der andere als ungewöhnlich starrköpfig, und sie haben eine ähnliche Motivation. Manfred Schell wird nächstes Jahr 65 und will seine Gewerkschafterlaufbahn mit einem eigenen Tarifvertrag für die Lokführer krönen. Hartmut Mehdorn, gerade 65 geworden, will sein Lebenswerk – die geplante Teilprivatisierung der Bahn – nicht mit hohen oder schlecht zu kalkulierenden Personalkosten belasten. Da stehen sie nun und umklammern einander wie zwei angeschlagene Boxer.

Üblicherweise funktioniert eine Tarifauseinandersetzung so, dass die eine Seite viel fordert, die andere Seite wenig anbietet, und am Ende – nach harten Worten, vielen Finten und langen Nächten – steht ein Kompromiss, den sich jedermann auch vorher ungefähr hätte ausrechnen können. Im Fall der Bahn ist das übliche Tariftheater nicht möglich. Der Abschluss kann nicht auf halber Strecke zwischen 4,5 und 31 Prozent liegen, und die Herren Mehdorn und Schell lassen sich kaum einen Ausweg.

Wer leidet, sind aber nicht die beiden Kontrahenten, sondern die Kunden. Sie können nur zuschauen, was geschieht. Im Juli schon und jetzt wieder in Berlin und Hamburg, wo im morgendlichen Berufsverkehr nahezu keine S-Bahn fuhr. Die juristischen Finessen der Bahn machen die Sache nicht besser, sondern führen zu bedenklichen Entscheidungen, wie sich in Nürnberg gezeigt hat. Denn erstens ist der Ausstand grundgesetzlich garantiert, zweitens ist dabei klar, dass jeder wirtschaftlichen Schaden verursacht, und drittens kann auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit kein vollständiges Verbot bundesweiter Streiks rechtfertigen. Wenn das Schule machte, könnte die IG Metall nie mehr streiken.

Aber selbst wenn die Rechtsauffassung der Nürnberger Richter Bestand haben sollte, juristisch lässt sich ein Tarifstreit doch niemals lösen. Im Gegenteil, die Nürnberger Entscheidung könnte dazu führen, dass sich die Auseinandersetzung noch über Monate hinzieht: dass die Bahn dann eben nicht in der Ferienzeit bestreikt wird, sondern erst im Herbst. Dann tut es der Wirtschaft noch mehr weh – und so nebenbei steht genau dann die Bahnprivatisierung auf der Tagesordnung von Bundestag und Bundesrat.

So gibt es keinen anderen Weg, als zügig ernsthafte Verhandlungen aufzunehmen. Die Bahn sollte jetzt sämtliche Klagen vom Tisch nehmen, die Gewerkschaft auf sämtliche Arbeitskampfmaßnahmen verzichten. Dann sollten die beiden Herren sich in ein Konferenzzimmer zurückziehen und vertrauensvoll aushandeln, was geht. Möglichst nur die beiden, sonst niemand. Dass es pensionierte Politiker wie Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler als Vermittler braucht, ist eigentlich ein Armutzeugnis.

Nun mag es ja vermessen sein, hier einen Vorschlag zur Güte zu machen, aber sei’s drum. Ausgangspunkt ist: Die Bahn kann ihr Angebot nicht erhöhen, weil sonst der bereits mit den beiden anderen Bahngewerkschaften geschlossene Tarifvertrag obsolet wäre. Deswegen sollten die Lokführer Lohnerhöhungen von 4,5 Prozent und eine Einmalzahlung von 600 Euro akzeptieren. Wenn dann noch die Eingruppierung überprüft würde, könnte jeder einzelne Lokführer am Ende deutlich mehr Gehalt haben, ohne dass der Tarif insgesamt über Gebühr erhöht würde. Nur: Eine Einigung kann daraus erst werden, wenn die Lokführer ihrerseits den lang ersehnten eigenen Tarifvertrag bekommen.

Eine Lösung muss jedenfalls schnell gefunden werden, denn die Auseinandersetzung kommt zur Unzeit. Wenn das Spektakel noch lange dauert, könnte man anfangen zu fragen, ob das Modell Bundesbahn vielleicht doch gar nicht so schlecht war. Beamte dürfen schließlich nicht streiken. Gerade erst haben die Länder deutlich gemacht, dass sie die bisherigen Privatisierungspläne ablehnen, und auch in den Bundestagsfraktionen grummelt es noch. Hier wie im Tarifstreit mit den Lokführern muss ein Kompromiss her. Klammern hilft nicht.

Ein Kommentar von Moritz Döbler

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