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Meinung: Tausche Uran gegen den Strick

Der Iran steht unter Druck: Gibt er im Atomstreit nach, um die Opposition zu besiegen?

Der Iran gibt neue Rätsel auf. Mitte der Woche überraschte Präsident Mahmud Ahmadinedschad mit der Ankündigung, sein angereichertes Uran möglicherweise doch ins Ausland abzugeben. Drei Tage später sagte sich Außenminister Manutschehr Mottaki plötzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz an.

Kein Wunder: Der iranische Chefdiplomat ist ein Meister im Gutwettermachen, wenn – wie in diesen Wochen wieder – dunkle Politwolken über seinem Land aufziehen. Viele arabische Staaten lassen sich von den USA aufwendige Raketenabwehrsysteme installieren. Abu Dhabi ist entschlossen, mit den Haushaltslöchern in Dubai auch Irans Embargoschlupfloch Dubai-Hafen zu stopfen. Selbst China und Russland signalisieren, dass ihnen die Geduld ausgeht. Der internationale Druck wächst, genauso wie die globale Isolierung der Islamischen Republik.

Parallel dazu könnte sich aber auch das innenpolitische Kalkül des Regimes gewendet haben. Denn der Oberste Religionsführer Ali Chamenei und sein Präsident Ahmadinedschad sind weit davon entfernt, mit ihren internen Gegnern fertig zu werden. Die nächste Kraftprobe mit der grünen Bewegung steht am 11. Februar ins Haus, dem 31. Revolutionstag der Islamischen Republik. Und sie könnte für die Führung noch verheerender ausfallen als die letzte landesweite Rebellion am Ashurafest Ende Dezember.

Will das Regime aber jetzt richtig zuschlagen, Regierungsgegner reihenweise aufhängen, die Oppositionsführer festnehmen und aburteilen, dann muss es dem Westen etwas anbieten, was ihn einigermaßen ruhigstellt – eben den ersehnten Urantausch. Die internationale Gemeinschaft gewänne Zeit beim Atom, der Iran dafür freie Hand gegen die grünen Widersacher, ohne dass er sich nukleartechnisch irgendetwas vergibt. Zudem drängt bei dem medizinischen Reaktor in Teheran die Zeit. Die 23 Kilogramm Uranbrennstoff, die Iran 1988 von Argentinien im Rahmen eines fünfjährigen Kooperationspaktes erhielt, gehen zur Neige. Wenn kein Nachschub kommt, müsste der Minimeiler Ende 2010 abgeschaltet werden, mit dem sich radioaktive Isotope zur Krebsbehandlung produzieren lassen.

Selbst wenn jedoch das Atomangebot von München überzeugend ausfiele – den Westen würde Mottaki gleichzeitig vor ein schweres Dilemma stellen. Der diplomatische Druck hätte sich zwar ausgezahlt, dafür aber müsste man die iranische Opposition implizit ans Messer liefern. Bald wäre vergessen, dass das wirkliche Votum bei der Präsidentschaftswahl am 12. Juni auch ein mutiges Referendum war gegen die rauflustige und paranoide Außenpolitik des Regierungschefs.

Diese Politik sei nichts als „Abenteurerei, Extremismus und Protzerei“, hielt der später um seinen Sieg betrogene Mir-Hossein Mussawi kurz vor dem Wahltag dem Präsidenten in einer TV-Debatte vor. „Sie haben so viele Spannungen mit anderen Ländern erzeugt, dass wir keinen einzigen Freund mehr in der Region haben.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.

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