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Meinung: Teheran, Texas

Islamo-christliche Fundamentalisten reagieren selten einmütig auf Scharons Koma

Wenn Irre Irres sagen, ist die Versuchung groß, es zu ignorieren. Jede Reaktion wertet sie nur auf. Das aber stimmt in einem Fall nicht: Wenn die Irren Macht haben, sind sie potenziell gefährlich. Drei Szenen: Am gestrigen Freitag, während israelische Ärzte um das Leben von Ariel Scharon rangen, veröffentlichte die saudi-arabische Zeitung „Arab News“ eine Karikatur. Unter der Überschrift „Scharons Hirnblutung“ wird gezeigt, wie die Ärzte den Schädel des Politikers öffnen. Dort finden sie Raketen, Handgranaten, Kampfhubschrauber.

Szene zwei, tags zuvor: Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hofft – laut halbamtlicher Nachrichtenagentur Isna – dass Scharon seiner Erkrankung erliegt. Die Nachricht, er sei „auf dem Weg zu seinen Ahnen“, möge endgültig sein. Szene drei, dieselbe Zeit, eine andere Region: In seiner Sendung „700 Club“ sagt der amerikanische Fernsehprediger Pat Robertson, Scharons Schlaganfall sei die Strafe Gottes für die Räumung des Gazastreifens. „Gott sieht dies als sein Land an. Zu jedem israelischen Regierungschef, der es aufreißt und weggibt, sagt Gott: ,Nein, das gehört mir.‘“

Man kann diese Zusammenstellung als unfair kritisieren. Außerdem lautet in Deutschland, spätestens seit der Nazi-Zeit, das elfte Gebot: Du sollst nicht vergleichen. Robertson ist Prediger und Groß-Israel-Freund. Ahmadinedschad dagegen leugnet den Holocaust, strebt nach Atomwaffen und will Israel vernichten. Und Karikaturen müssen halt übertreiben. Was also haben die drei Szenen miteinander gemein? Antwort: Sehr viel mehr, als vielen bewusst ist.

Aus der Perspektive Israels lassen sie sich als Eckpunkte einer wahren „Achse des Bösen“ deuten. Saudi-arabische Petrodollars plus fanatische Israelfeindschaft plus biblisch inspirierte Endzeitvision: Aus dieser Mischung droht dem Land womöglich größeres Unheil als aus dem Konflikt mit den Palästinensern. Die Einbeziehung christlicher Fundamentalisten mag übertrieben wirken. Doch unter ihnen finden sich immer mehr äußerst radikale Groß-Israel-Apologeten. Die Formel „Land für Frieden“ lehnen sie ab. Zugleich können Prediger wie Robertson und Billy Graham durchaus antisemitisch sein. Ihr Einfluss auf die amerikanische Politik sollte nicht unterschätzt werden. Für Israel sind diese „Freunde“ ein Verhängnis.

Ähnlich fatal wirkt sich die Koalition aus christlichen Fundamentalisten und dem islamischen Block bei den Vereinten Nationen aus. Ob in Riad, Teheran oder dem „Bible Belt“ der USA: Zucht und Sitte sind Pflicht. Erfolgreich kämpft diese Allianz seit Jahren etwa gegen den Internationalen Frauenrechtsvertrag. Wann immer europäische und lateinamerikanische Staaten den Versuch unternehmen, die Rechte von Kindern, Frauen oder Homosexuellen festzuschreiben, wird dies zu verhindern versucht. Merke: Wenn Irre irre reden, geht das manchmal alle an.

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