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Tempelhofer Feld, Garnisonkirche, Olympia: Warum die Politik Bürgerbeteiligungen ernster nehmen muss

Politische Arroganz kommt nicht nur in Berlin vor. Auch in Potsdam zeigt der Streit um den Bau der Garnisonkirche, wie lax Politiker zuweilen mit Bürgerbefragungen umgehen. Dabei ließen sie sich gut planen.

Gibt es die Kategorie des Unbewussten in der Politik? Sigmund Freud hätte seine Freude am Berliner Senat. Der macht eine Umfrage zur Bewerbung um die Olympischen Spiele, aber so verdruckst und versteckt, dass es keiner merkt – weil er selbst nicht weiß, was er will? Egal, ob unbewusster psychisch-politischer Affekt oder handwerklicher Fehler, ein Schluss ist erlaubt: Offensichtlich ist der Senat nicht darauf erpicht, dass sich viele Berliner beteiligen.

Mit Bürgerbeteiligung tut sich Rot-Schwarz schwer. Auch beim Volksentscheid Tempelhofer Feld hat es zwei Monate gedauert, bis der Senat seine Niederlage realisiert. Nun soll es einen Neustart geben, einen konstruktiven Dialog mit den Nutzern des Feldes. Nach der Niederlage, als die Berliner rundweg alle Bebauungspläne für das Tempelhofer Feld ablehnten, werden erstmals Fehler eingestanden. Zu spät. Vor der Abstimmung schüttelten selbst Befürworter einer Randbebauung nur den Kopf über die Selbstgefälligkeit, mit der Rot-Schwarz behauptete, eine transparente Planung zu betreiben. Tatsächlich wurden lange alle Einwände weggewischt, mehrfach veränderte Pläne präsentiert, ohne das zentrale Feld gesetzlich vor jeder Bebauung zu schützen. Genau dies schürte erst das Misstrauen vieler Berliner. Sie befürchteten, der Senat werde sich nach einem Sieg beim Volksentscheid nicht an seine Versprechen halten.

Schlechte Erfahrungen wurden genug gemacht

Politische Arroganz ist freilich keine Berliner Spezialität, wie man jetzt in Potsdam sehen kann. Dort zerreißt der Konflikt um den Bau der Garnisonkirche die Stadt, aber die Rathausspitze betont einfach nassforsch, man habe doch eine Baugenehmigung … So verliert man Volksentscheide! Der Berliner Senat hat diese Erfahrung Anfang 2011 gemacht beim Volksentscheid zu den Wasserbetrieben. Erst dieses Votum gegen die Geheimhaltungspolitik zwang den Senat dazu, über einen inzwischen erfolgten Rückkauf des privatisierten Unternehmens nachzudenken. Wer derzeit das peinliche Gewürge um die Gründung eines Stadtwerks verfolgt, kann sich ärgern, im Herbst 2013 beim Volksentscheid über das Energienetz dem Senat geglaubt zu haben. Der hatte beteuert, man wolle wie die Initiatoren ein großes Öko-Stadtwerk aufbauen – seitdem passiert: nichts.

Der Senat muss weg vom Wackelkurs zwischen vorheriger Ablehnung und unwilliger Kenntnisnahme des Bürgerwillens, wenn er dazu gezwungen wird. Direkte Demokratie gehört dazu; eine Abgrenzung ist gleichwohl schwierig. Die Bürger dürfen erwarten, dass der Senat entscheidet, dafür ist er gewählt. Es wäre peinlich, entstünde der Eindruck, der Bürger solle den politisch Verantwortlichen die Arbeit abnehmen, weil die sich vor Entscheidungen drücken. Transparenz und wirkliche, nicht nur behauptete Beteiligung hätte den Tempelhof-Volksentscheid überflüssig machen können.

Auch über Olympia sollten Bürger entscheiden

Bei einer Bewerbung für Olympische Spiele ist Bürgerbeteiligung dagegen unverzichtbar – gerade wegen des desaströsen Versuchs in den 90er Jahren. Angemessen aber ist, jetzt erst einmal nur einen Diskussionsprozess zu initiieren, ohne über ein Ja oder Nein abzustimmen. Diese Frage kann erst dann gestellt werden, wenn der Senat seinen Plan vorgelegt hat. Derzeit können nur Emotionen abgefragt werden; überzeugen muss dagegen ein kluges Konzept für Spiele, die stadtverträglich, nachhaltig und preiswert sind und zugleich Berlin präsentieren als tolerante und demokratische Metropole. Solch ein Konzept ist Aufgabe der Politik. Danach wird abgestimmt.

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