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Zu voll zum Rasen. Es gibt kaum Strecken ohne Tempolimit, aber an denen wird verbissen festgehalten. Warum?

© dpa

Tempolimit auf Autobahnen: Schnell, schnell, jetzt los zum Tempolimit!

Schluss mit dem Gerase auf Autobahnen - bevor der ADAC sich von seinen Skandalen erholt hat und wieder mitredet

Die Gelegenheit ist da, jetzt könnte ein vielleicht letztes Mal Gas gegeben werden – und zwar in Sachen: Tempolimit auf allen Autobahnen.

Der ADAC, angeblich Vertreter von Volkes Meinung und ewiger Gegner der Geschwindigkeitsbegrenzung, liegt von Skandalen erschüttert stumm am Boden und hat akut andere Sorgen.

Und Sigmar Gabriel, der im Mai 2013 dem damaligen SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück mit dem Ruf nach Tempo 120 auf den Wecker ging, ist an dessen Stelle ein mächtiger Mann in der Regierung geworden (dass er im September vergangenen Jahres im Dienstwagen zwischen Hamburg und Osnabrück mit 180 geblitzt wurde, dürfte seine Überzeugung weiter gestärkt haben, so reuig, wie er sich zeigte).

Also bitte, die Zeit ist reif. Raserei auf der Autobahn ist ein unerträglicher, aggressiver Egotrip. Autofahrer, die mit 200 Stundenkilometern wie aus dem Nichts angerast kommen und mit einem Knall an den langsameren Autos vorbeibrettern, erschrecken und verunsichern deren Fahrer. Sie schaffen ein grässliches Klima ständiger Bedrohtheit. Dabei sind sie nur eine Minderheit. Warum soll die Mehrheit das nur einen weiteren Tag dulden?

Das Argumentieren mit Totenzahlen ist grotest

Gerade wurden steigende Zahlen von Verkehrstoten gemeldet und der Bundesverkehrsminister brachte Videokontrollen ins Spiel, mit denen er aggressive Fahrer finden will. Soll er das versuchen. Aber wäre ein generelles Tempolimit nicht eine einfachere Sache? Rasen in Deutschland verboten – immer und überall. Klare Ansage.

Und es braucht jetzt keiner mit Statistiken zu kommen, nach denen es beispielsweise im Tempolimitland Österreich mehr Unfalltote auf Autobahnen gebe. Das kann sein, aber warum das so ist, wird nie erklärt. Und was beweist das? Geht es um Todesopfer? Nein, das Argumentieren mit Toten ist grotesk. Es geht darum, auch die letzten Straßenstücke angstfreier und angenehmer für die Mehrheit zu machen, und sie nicht den Fahrern der schnellen Autos zu überlassen.

Sachargumente sind in der Debatte fehl am Platze

Gerade auf Autobahnen, wo alle lediglich in dieselbe Richtung fahren, wo es keine Kreuzungen gibt und keine Ampeln, sollte Fahren sicher sein. Es sollte dort nicht mal Unfälle geben. Es ist nämlich ganz leicht, geradeaus zu fahren.

Aber Sachargumente sind in der Debatte seit jeher fehl am Platz. Weil es beim Tempolimit nicht um Sachliches geht. Dem Wunsch nach Raserei liegt etwas Irrationales zugrunde. Rasen ist ein Ausdruck für die Macht des Stärkeren. Ich rase, weil ich kann. Was auch provoziert. Nicht selten sieht man hinter einem Raser gleich den nächsten, und das oft, ohne den empfohlenen Abstand auch nur ansatzweise zu wahren. Warum machen die das? Wer weiß das schon genau. Gefahrenvergessenheit. Und dann ist Rasen auch Triebabfuhr, eine Übersprungshandlung für eine ewig gebändigte Faust, die nie zugeschlagen hat. Es ist doch bezeichnend, dass dieses Urviehgebaren ausgerechnet in Deutschland geduldet wird. In einem Land, das viel gesetzgeberische Mühe dafür aufwendet, den Arbeitslosen, also machtlosen Leuten, immer strenger in ihr Leben reinzuregieren, und zugleich den Reichen, also mutmaßlich Mächtigen, lieber nicht zu nahe tritt. Man mag hierzulande die Starken lieber als die Schwachen.

Touristen kommen der Raserei wegen nach Deutschland - na toll

Natürlich gehört nicht jedes leistungsstarke Auto automatisch einem Leistungsträger, aber es macht zumindest zunächst einmal den Eindruck. Und erstaunlicherweise färbt das gemeingefährliche Verhalten mancher BMW-, Porsche-, Audi- und Mercedesfahrer auch nicht auf die Images der Marken ab. Eher noch wird die Raserei zur Leistungsschau der deutschen Automobilindustrie verklärt und mit Schaudern berichtet, dass ausländische Reisegruppen der Raserei wegen nach Deutschland gereist kämen. Einmal mit Tempo 220 durch Ostfriesland oder Sachsen-Anhalt – hurra.

Dass manchem das Schnellfahren Spaß macht, kann ja sein. Aber doch nicht auf öffentlichem Straßenland. Nicht dort, wo viele langsame Gefährte wie Lastwagen oder Reisebusse unterwegs sind. Dass das der falsche Ort für Rennfahrer ist, muss doch nicht wirklich eigens erwähnt werden.

Und wie lange würden sich die tempolimitlosen Autobahnabschnitte wohl noch halten, wenn nachgewiesen würde, dass alle Raser Chinesen oder Araber sind?

Und noch ein letztes: Alle Autos verbrauchen bei Tempo 220 deutlich mehr Benzin als bei 120. Rasen ist also auch noch ein extragroßer Zugriff von wenigen auf endliche Ressourcen, die für alle reichen müssen.

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