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Terror im Nahen und Mittleren Osten: Chaos im Irak - und was macht der Westen?

Im Irak wird gekämpft. Im Nahen und Mittleren Osten droht ein Flächenbrand. Böses Amerika!, rufen die einen. Mehr Truppen!, fordern die andern. Gibt es einen Weg aus der Malaise?

Wer an der Gegenwart verzweifelt, malt sich die Vergangenheit schön. Ach, was war das für eine wunderbare Ruhe, Stabilität und Berechenbarkeit, als rund ums Mittelmeer, mit Israel als Ausnahme, Despoten, Monarchen und Diktatoren herrschten. Religiöse Fanatiker wurden einfach unterdrückt, Flüchtlinge aus Afrika, die nach Europa wollten, wurden gar nicht erst in ihre Boote gelassen. Doch dann, nach 9/11, reagierten die Amerikaner in ihrem Demokratieexportwahn total über, führten Kriege in Afghanistan und dem Irak, und nun bricht alles zusammen: Bürgerkriege, Terroranschläge, Flüchtlingswellen. Bis ans Nato-Land Türkei reicht das Chaos inzwischen.

Vergessen wird in dieser Zeitrechnung der iranisch-irakische Krieg mit einer Million Toten, das Giftgasmassaker, dass Saddam Hussein in der kurdischen Stadt Halabdscha verüben ließ, die Ermordung von 20 000 Muslimbrüdern in der syrischen Stadt Hama durch Regierungstruppen, der Schwarze September in Jordanien, als tausende Palästinenser getötet und aus dem Land vertrieben wurden. Die Ruhe war stets eine Grabesruhe, die Stabilität stets instabil, und die Berechenbarkeit wurde spätestens durch den Arabischen Frühling widerlegt.

Ohne die Kriege wäre auch nicht alles friedlich

Vieles spricht dafür, dass Afghanistan- und Irakkrieg, geführt von Nato und einer Koalition der Willigen, falsch waren. Keine der Hoffnungen auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zivilität hat sich erfüllt. Religiöse und ethnische Rivalitäten wurden unterschätzt. Zu behaupten aber, dass ohne diese Kriege alles friedlich wäre, ist zumindest kühn. Die Gegenthese wiederum, die Kriege seien vollkommen richtig gewesen, bloß würde Barack Obama jetzt zu früh schlappmachen und die US-Truppen voreilig abziehen, wird allenfalls noch von einigen Salonneokonservativen vertreten, denen die Ideologie wichtiger ist als die Realität. Darin ähneln sie unverbesserlichen Kommunisten, die kein Gulag am Ziel der klassenlosen Gesellschaft je hat zweifeln lassen.

Doch wie soll es ohne Intervention, Waffentransfers oder Aufstandsbekämpfung weitergehen in der Region? Das Leiden der Millionen Flüchtlinge schreit gen Himmel, die Gefahr, die von Terroristen und radikalislamischen Verbänden ausgeht, wächst täglich. Weil indes die Bereitschaft im Westen, sich weiterhin oder gar verstärkt militärisch zu engagieren, gleich null ist, kann es nur eine Art doppelte Quarantäne geben: Einerseits muss ein territoriales Übergreifen der Kämpfe, etwa auf die Türkei, den Libanon oder Jordanien, verhindert werden. Andererseits müssen Grenzkontrollen verbessert und durch geheimdienstliche Zusammenarbeit noch effizienter werden. Dschihadisten mit europäischen Pässen stehen unter erhöhtem Verdacht.

Deutschland sollte mehr Flüchtlinge aufnehmen

Schließlich wäre auch Deutschland gut beraten, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und das Asylverfahren zu rationalisieren. Wir brauchen mehr Personal für die Bearbeitung der Anträge und strengere Kriterien dafür, was ein sicheres Herkunftsland ist. Unter falsch verstandener Großzügigkeit in dieser Frage leiden wegen der Gleichbehandlung vor allem die Menschen, die wirklich vor Krieg, Verfolgung, Folter und Hunger fliehen.

Weder nachträgliche Schuldzuweisungen – böses Amerika! – noch illusionäre Forderungen – mehr Truppen! – weisen einen Weg aus der Malaise. Wer Wunder erwartet, wird bloß schnell wieder enttäuscht. Es ist bitter, aber wahr: Die gesamte Region befindet sich in einem brutalen historischen Prozess, der von außen nur begrenzt beeinflusst werden kann.

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