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Meinung: Terror in Israel: Die Versuchung des Terrors

Der Terrorist zielt wahllos auf Wehrlose. Seine Tat ist ein Verbrechen, das sich nicht entschuldigen lässt.

Der Terrorist zielt wahllos auf Wehrlose. Seine Tat ist ein Verbrechen, das sich nicht entschuldigen lässt. Verbrechen werden gesühnt. Israel wird Vergeltung üben für die jüngsten Anschläge. Wahrscheinlich wird die Regierung in Jerusalem nicht zimperlich dabei sein. So einfach ist das. So verständlich. Und trotzdem so aussichtslos.

Vor zwei Versuchungen muss sich jeder hüten, der die zugespitzte Lage im Nahen Osten beeinflussen will. Die erste Versuchung verkörpert Jassir Arafat. Er präsentiert sich als der ewig Unterdrückte, der Geschundene und Hilflose. Ihm seien die Hände gebunden, klagte er bis vor kurzem, wenn verlangt wurde, er solle mit aller Härte gegen die radikalislamischen Fraktionen unter den Palästinensern vorgehen. Bei der leidtragenden Bevölkerung seien die Attentäter populär. An ihrer Popularität seien die Israelis schuld. Von ihm zu verlangen, die terrorbereiten Hamas- und Dschihad-Anhänger unschädlich zu machen, sei unfair.

All das ist falsch und frech. Die ganze Welt zahlt monatlich viele Millionen Mark an den Friedensnobelpreisträger, damit dieser seinen riesigen Polizei- und Geheimdienstapparat finanzieren kann. Arafat kann viel mehr gegen die Terroristen tun. Aus dieser Verantwortung darf er nicht entlassen werden.

Am Sonntag hat er den Ausnahmezustand ausgerufen. Das ist ein erstes positives Zeichen. Aber es reicht nicht. Spektakuläre Massenverhaftungen hat es schon oft gegeben. Hundert Tage später waren die meisten Inhaftierten wieder frei. Die Härte war reine Show. Nein, Arafat muss zeigen, dass er entschlossen und kontinuierlich die Terroristen bekämpft. Nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen. Er muss den Verdacht aus der Welt räumen, er wolle von den Attentaten politisch profitieren. Seine beliebteste PR-Nummer ist die Opfer-Pose. Mit ihr erfolgreich zu sein, hat er nicht länger verdient.

Die zweite Versuchung verkörpert Ariel Scharon. Seit dem 11. September wittert er die Chance, einen Teil der amerikanischen Wut auf Osama bin Laden in Richtung Arafat zu lenken. Terror ist gleich Terror, oder? Darf nicht Israel ebenso dagegen Krieg führen, wie die USA es in Afghanistan tun? Diese Logik liegt nahe - und führt trotzdem in die Irre. Amerika wurde in erster Linie für das, was es ist, angegriffen, nicht für das, was es tut. Bin Laden ist ein emanzipationsfeindlicher, religiöser Totalitarist. Amerika gilt als das Symbol der Emanzipation und des Pluralismus. Dafür wird das Land gehasst.

Eine Quelle dieses Hasses ist der Selbsthass. Die meisten Araber leiden entweder unter säkularen Diktatoren oder unter religiösen Mullahs. Dass sie sich daraus nicht befreien können, schieben sie auf die Übermacht des großen Satans, der in Washington sitzt. Doch das ist ein Vorwand, geboren aus Ohnmacht. Amerikas Politik hat mit dem arabischen Antiamerikanismus kaum etwas zu tun.

In Israel herrscht ein anderes Verhältnis. Einen Zusammenhang abzustreiten zwischen der seit Jahrzehnten dauernden völkerrechtswidrigen Besetzung arabischen Landes und dem Entstehen des islamischen Terrorismus, wäre absurd. Israel wird zwar auch für das, was es ist, angegriffen, aber in erster Linie für das, was es tut.

Wenn die USA wirklich vorhaben, dem Nahost-Friedensprozess neuen Atem einzuhauchen, dürfen sie sich nicht davor scheuen, die Regierung in Jerusalem auf diesen Unterschied aufmerksam zu machen. Jassir ist nicht Osama. Amerika hat keinen Anlass, mit den "Al-Qaida"-Terroristen über die Lösung irgend eines Problems zu verhandeln. Israel dagegen ist dazu verdammt, sich mit den Palästinensern zu einigen. So einfach ist das. Und trotzdem so aussichtslos.

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