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Meinung: Tierseuchen: Global denken, regional essen

Die Maul- und Klauenseuche (MKS) ist an Deutschland vorbeigezogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie doch noch ausbricht, wird täglich kleiner.

Die Maul- und Klauenseuche (MKS) ist an Deutschland vorbeigezogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie doch noch ausbricht, wird täglich kleiner. Selbst in Großbritannien sinkt die Zahl der MKS-Fälle kontinuierlich. Doch die Briten haben einen hohen Preis dafür bezahlt. Knapp drei Millionen Tiere sind getötet worden. Der Tourismus ist zusammengebrochen.

Der Seuchenzug dieser alten Tierkrankheit hat auf der Insel etwas ausgelöst, was mehr als 188 000 Fälle von Rinderwahn nicht geschafft haben: Auch die Briten werfen erstmals seit Jahrzehnten einen kritischen Blick auf ihre Landwirtschaft. Ihnen war entgangen, dass sich auf dem Lande eine effiziente Agrarindustrie formiert hatte. Die britische Landwirtschaft ist stark arbeitsteilig, produziert im Vergleich mit ihren europäischen Nachbarn billig und ist stark in den Weltmarkt integriert. Seit dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche fragen sich die Briten: Wollen wir, dass unsere Lebensmittel industriell erzeugt werden, ohne Rücksicht auf Verluste beim Geschmack, bei der Umwelt und den Bauern? Eine Frage, die in Deutschland seit dem ersten originären BSE-Fall im November des vergangenen Jahres, ebenfalls diskutiert wird.

Als Konsequenz aus dem aktuellen Seuchenzug drängt sich eine Re-Regionalisierung der Tiermärkte auf. Die Globalisierung ist nicht immer die richtige Antwort: Rinder, Schweine oder Schafe sind eben keine Kartoffeln. Wer Vieh im Weltmarkt-Maßstab erzeugen will, muss lange Tiertransporte in Kauf nehmen und alle Risiken, die sich daraus ergeben, tragen. Dazu gehört die Einschleppung von Viehseuchen. Und wer in den Weltmarkt integriert bleiben will, darf dann auch keine Heilungsversuche unternehmen. Eine Impfung der Tiere kommt nämlich nur in Frage, wenn das Fleisch verkäuflich bleibt. Im Weltmaßstab ist das gewiss unmöglich. Doch wenn Fleisch verstärkt für regionale Märkte erzeugt wird, sind die Konsumenten vor Ort vielleicht doch davon zu überzeugen, Fleisch von geimpften Tieren zu kaufen. Weil es ihnen nicht schadet, und weil sie damit ihren Bauern den Ruin ersparen können.

Beim aktuellen Ausbruch der MKS hätte eine Impfung jedoch unabsehbare Folgen gehabt, gerade in Deutschland. Nicht nur, dass die Exportmärkte dauerhaft weggebrochen wären. Die deutschen Konsumenten wären noch mitten in der BSE-Krise kaum zu überzeugen gewesen, Fleisch von geimpften Tieren zu kaufen. In einer künftigen Seuchenstrategie sollte aber auch die Impfung eine Rolle spielen. Auch wenn flächendeckende Massenimpfungen nicht sinnvoll sind. Selbst dann nicht, wenn ein Markerimpfstoff entwickelt werden sollte, der es zulässt, geimpfte von nicht geimpften Tieren zu unterscheiden. Eine Massenimpfung würde lediglich dazu führen, dass die bestehenden Verhältnisse fortgeschrieben werden.

Wenn beim nächsten Seuchenzug nicht wieder Millionen Tiere gekeult werden sollen, muss es Veränderungen bei der Erzeugung geben. Das sieht auch die deutsche Landwirtschaftsministerin Renate Künast so. Sie hat mit ihrem Entwurf für eine Legehennenverordnung einen Anfang gemacht. Diese geht deutlich über die Vorgaben der Europäischen Union hinaus. Neben dem Tierschutz bemüht sich die Ministerin auch bei der Vermarktung um Regionalisierung. Die von ihr angekündigten Gütesiegel zielen darauf, aber auch ihre Vorschläge für die so genannte Modulation. Dabei wird landwirtschaftlichen Großbetrieben ein Teil der EU-Agrarsubventionen pauschal gekürzt, um diese Mittel beispielsweise in eine regionale Vermarktung von Agrarprodukten zu investieren. Renate Künast hat ihre Lektion gelernt. Ob sie damit Erfolg hat, hängt auch von den Verbrauchern und den Bauern ab.

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