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Meinung: Trialog: Abschied von der Wehleidigkeit

Ob die Zukunft eher als Bedrohung oder als Verheißung wahrgenommen wird, diese Unterscheidung zieht sich durch viele Diskussionsbeiträge im bioethischen Diskurs wie in anderen Grundsatzdebatten unserer Tage. Während Antje Vollmer für die Kirchen, weil sie Minderheit geworden seien, eine neue Freiheit sieht, die Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften - wie sie meint, die neue Zentralmacht - nach ihren Wertvorstellungen zu befragen, entdeckt Richard Schröder einen kulturpessimistischen Hang zur Unheilsprophetie.

Ob die Zukunft eher als Bedrohung oder als Verheißung wahrgenommen wird, diese Unterscheidung zieht sich durch viele Diskussionsbeiträge im bioethischen Diskurs wie in anderen Grundsatzdebatten unserer Tage. Während Antje Vollmer für die Kirchen, weil sie Minderheit geworden seien, eine neue Freiheit sieht, die Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften - wie sie meint, die neue Zentralmacht - nach ihren Wertvorstellungen zu befragen, entdeckt Richard Schröder einen kulturpessimistischen Hang zur Unheilsprophetie.

Wir sollten das Unbehagen über viele Entwicklungen in unserer modernen Welt auch nicht übertreiben. Ein Blick auf vergangene Zeiten - vom Weltkrieg über die Teilung, den Kalten Krieg bis zur Wiedervereinigung - oder auf die manchmal schon apokalyptisch anmutenden Debatten etwa über den NATO-Doppelbeschluss, die friedliche Nutzung der Kernenergie oder auch einst die Volkszählung kann daran erinnern, dass nicht immer so heiß gegessen wie gekocht wird.

Ich finde, dass wir Maßstäbe auch gewinnen können, wenn wir den Blick nach draußen richten, auf unsere Nachbarn in Europa und die Lage in unserer einen Welt. Da zeigt sich schnell, dass wir nicht am meisten Grund zu klagen haben. Zwar liegen große Aufgaben vor uns, aber die Chancen und Möglichkeiten, solche Herausforderungen zu bewältigen, waren in der Geschichte selten größer.

Das gilt vor allem für Europa. Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass dieser alte Kontinent, der sich über viele Jahrhunderte in Streitigkeiten ohne Ende quälte und im vergangenen Jahrhundert Ausgangspunkt für zwei verheerende Weltkriege wurde, jetzt kurz davor steht, sich insgesamt sich zu einer Europäischen Union zu vereinen? Und schon fürchten manche den Beitritt unserer Nachbarn mehr, als dass sie die unglaubliche Chance begreifen, in einem friedlich geeinten Europa zusammenzuwachsen mit der Aussicht auf Stabilität und wirtschaftliche Dynamik. Auch wenn der Balkan noch Sorgen bereitet, seit Anfang der 90er Jahre hat sich vieles auch dort besser entwickelt. Die Einigung Europas entfaltet große Anziehungskraft und stärkt die Kräfte für friedliches Miteinander. Das zeigt sich selbst in Zypern, wo sich genau deshalb erstmals nach Jahrzehnten der Hoffnungslosigkeit eine Chance für Aussöhnung zwischen Griechen und Türken eröffnet.

Je besser die europäische Einigung vorankommt, je stärker Europa wird, umso mehr wird diese Friedenswirkung auch über Europa hinaus sich entfalten, hoffentlich bald vor allem in den Nahen Osten.

Deshalb muss die Erweiterung der Europäischen Union bald erfolgen, und deshalb muss der Reformprozess der europäischen Institutionen gelingen. Es wird Widerstände und Rückschläge geben; aber wir kommen voran. Und ein einiges Europa kann einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten.

Diese eine Welt, mit ihren großen Herausforderungen, bleibt auf den Fortschritt von Wissenschaft und Technik angewiesen. Risiken und Chancen müssen vor diesem Hintergrund bewertet werden, und unsere Meinungen dazu sollten wir mit den Erfahrungen und Gesichtspunkten anderer austauschen.

Für all dies brauchen wir Zuversicht. Und für die braucht es Maßstäbe. Je mehr wir uns auf unsere Aufgaben besinnen, umso eher gewinnen wir beides. Introvertiertheit fördert Wehleidigkeit, Offenheit führt zu Zuversicht.

Wolfgang Schäuble ist CDU-Präsidiumsmitg

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