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Meinung: Trialog: Gesicht zeigen, Stirn bieten

In diesem Jahr war die Stimmung anders am Tag der Deutschen Einheit, irgendwie gedämpft. Die Fassungslosigkeit angesichts der apokalyptischen Bilder aus New York und Washington hält noch immer an.

In diesem Jahr war die Stimmung anders am Tag der Deutschen Einheit, irgendwie gedämpft. Die Fassungslosigkeit angesichts der apokalyptischen Bilder aus New York und Washington hält noch immer an. Und die Frage, ob und wie Wiederholungen solcher terroristischen Verbrechen verhindert werden können, beschäftigt jeden.

Weil die Lage ernst ist, müssen wir klaren Kopf behalten. Das lässt sich von den Amerikanern lernen, die sich ebenso entschlossen wie besonnen zeigen. Hierzulande fangen manche schon wieder an, Ursache und Wirkung zu verwechseln, und statt der Terroristen werden die Amerikaner als Bedrohung empfunden. Das erinnert an alte Strickmuster, und es lenkt von der Notwendigkeit ab, eine neue Ordnung für die Welt zu bauen, damit sie nicht aus den Fugen gerät.

Fortschritte in den Naturwissenschaften und vor allem in der Kommunikationstechnologie führen zu einem beschleunigten Wandel, und die Welt rückt in der Globalisierung näher zusammen. Die Unterschiede zwischen Kulturen, Religionen, arm und reich werden damit unmittelbarer empfunden, und das verschärft die Spannungen. Gerade weil das Potenzial an Spannungen und Ungerechtigkeiten so unendlich groß ist, darf niemand die so verletzliche moderne Zivilisation zur Geisel nehmen, um durch die Verbreitung von Angst und Schrecken welche Ziele auch immer zu verfolgen. Das bedroht den Weltfrieden, und dagegen muss sich die Menschheit gemeinsam wehren. Die Vereinten Nationen haben das mit erfreulicher Klarheit festgestellt.

Wenn die Europäer in der enger zusammenrückenden Welt des 21. Jahrhunderts für ihre Vorstellungen von menschlichem Leben und menschlicher Gemeinschaft und die zugrunde liegenden Werte eintreten wollen, können sie das besser gemeinsam tun. Die handlungsfähige, demokratisch legitimierte EU wird für uns alle lebensnotwendig. Die Schwerfälligkeit europäischer Debatten sollte einer Konzentration auf das Wesentliche weichen. Weil die Probleme unserer Welt uns alle betreffen, müssen wir uns vermehrt darum kümmern. Das reicht von der Bekämpfung von Armut und Not in der Welt bis zur Stabilität auf dem Balkan. Es gibt für uns keine Nische in der Weltpolitik, in der wir uns verstecken könnten.

Wenn wir uns für den Abbau von Spannungen engagieren, müssen wir bereit sein, die Probleme der Welt auch mit den Augen Anderer zu betrachten. Das ist die Voraussetzung für einen verstärkten Dialog zwischen Kulturen, Religionen und den verschiedenen Gesellschaften dieser Erde. Dialogbereitschaft und Integration setzen voraus, dass man sich des eigenen Standpunkts sicher ist. Orientierungslosigkeit ist das Gegenteil von Toleranz. Respekt vor der Haltung des Anderen hat nur, wer auch für die eigene Position Respekt empfindet und einfordert. Unsere Freiheitsordnung beruht auf dem Verständnis von unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechten. Eine Übereinstimmung in grundlegenden Werten ist Voraussetzung für friedliches Zusammenleben. Unsere Verfassung ist zwar weltanschaulich neutral; wertneutral aber ist sie nicht.

Weil wir uns nicht verstecken dürfen, müssen wir unser Gesicht zeigen, den Mitmenschen in unserem Land und in der Welt und den Terroristen, denen wir uns nicht beugen werden. Wenn sich so Entschlossenheit und Besonnenheit mischen, ziehen wir die richtigen Lehren aus dem 11. September und werden dem Auftrag gerecht, den der 3. Oktober, das Geschenk von Einheit in Frieden und Freiheit, für uns enthält.

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