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Meinung: Trialog: Nur keine Selbstgerechtigkeit

Ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas können wir im Ernst nicht für sie, sondern nur für uns, uns zur Mahnung, errichten. Der Förderkreis für dieses Mahnmal sieht das offenbar anders.

Ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas können wir im Ernst nicht für sie, sondern nur für uns, uns zur Mahnung, errichten. Der Förderkreis für dieses Mahnmal sieht das offenbar anders. Das Mahnmal soll zuerst nicht für die ermordeten Juden Europas, auch nicht für uns, sondern gegen andere errichtet werden. Groß prangt auf seiner Anzeige, mit der er für Spenden wirbt: "den holocaust hat es nie gegeben." Und dann, in klein: "Es gibt noch immer viele, die das behaupten." Das stimmt nicht. Es sind zum Glück sehr wenige. Sie beweisen mit dieser Behauptung ihre Verblendung. Die ist schlimm, zuerst für sie selbst. Und dass sie zudem oft sehr jung sind, muss uns beunruhigen. Aber sie finden keine breite Zustimmung. Der Bann des kollektiven Schweigens ist gebrochen, das Nestbeschmutzerargument, das zumeist die öffentliche Anerkennung unangenehmer Tatsachen der eigenen Geschichte blockiert, wirkt hier zum Glück nicht mehr. "In 20 Jahren könnten es noch mehr sein," fährt der Text fort. Ich wüsste nicht, warum. "Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden Eropas."

Deshalb? Wenn die Verblendeten das Mahnmal sehen, werden ihnen die Schuppen von den Augen fallen? Wenn das Mahnmal erst steht, werden weniger dieser Verblendung erliegen? Worauf will der Förderkreis diesen abstrusen Wunderglauben gründen? Warum soll ein weiteres Mahnmal bewirken, was die vielen bereits bestehenden bei den Unbelehrbaren nicht bewirkt haben? Das Mahnmal mit der Existenz der Holokaustleugner zu begründen, tut den Leugnern zu viel der Ehre an und bringt die Mahnmalidee selbst in ein schiefes Licht. Wenn sie verschwinden sollten, die Leugner, verliert das Mahnmal seine Legitimation?

Ich höre den Einwand: Das siehst du alles zu eng. Das ist doch eine Werbeaktion, und die muss unter Werbegesichtspunkten beurteilt werden. Sie muss vor allem provozieren, um in der Masse nicht unterzugehen. Also beurteilen wir die Sache einmal unter Werbegesichtspunkten. Das Plakat will motivieren, indem es Angst macht: Wenn das Mahnmal nicht kommt, kommen die Neonazis. Werbestrategen halten das Angstmachen für eine schlechte Strategie.

Schlimmer noch ist dies: Die Deutschen werden hier eingeteilt in die guten, die das Mahnmal fördern, und die bösen, die den Holokaust leugnen. Die bösen, das sind die anderen. Mit fünf Mark, automatisch von der Telefonrechnung abgebucht, sind Sie auf der richtigen, der guten Seite. Der Förderkreis befördert mit dieser Aktion zuerst die Selbstgerechtigkeit. Für die Besinnung, die uns not täte, ist er insoweit eher ein Behinderungskreis. Wer eine (weniger schlimme) Diktatur selbst erlebt hat, den schüttelt es angesichts solcher Selbstgerechtigkeitsergüsse. So fein, wie hier zwischen gut und böse sortiert wird, lässt sich nämlich während einer Diktatur nicht sortieren. Da kann kaum einer, der ehrlich zu sich ist, rückblickend sagen: Mein Verhalten war immer tadellos, ich habe mir überhaupt nichts vorzuwerfen.

Ich weiß wohl, wer alles die Plakataktion, teils trotz Bedenken, gebilligt hat. Das ändert nichts an der Tatsache, dass ein heilsames Gedenken und Erinnern an das Ungeheure nur in Freiheit und gelassener selbstkritischer Besinnung gelingen kann. Es verträgt sich nicht mit Angst und Fingerzeigen auf andere, zwei Haltungen, die ja ihrerseits kräftig an dem Unheil mitgewirkt haben, dessen es zu gedenken gilt.

Richard Schröder ist Professor für Theol

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