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Meinung: Trialog: Raketenabwehr? Eine für alle

Wie macht man das: drei Kolumnisten zum selben Thema, ohne dass immer derselbe das Thema vorgibt? Während ich mich noch an diesem Gordischen Knoten abmühe, kommt ein Alexander namens Antje Vollmer und schlägt einfach zu.

Wie macht man das: drei Kolumnisten zum selben Thema, ohne dass immer derselbe das Thema vorgibt? Während ich mich noch an diesem Gordischen Knoten abmühe, kommt ein Alexander namens Antje Vollmer und schlägt einfach zu. Zur Schlossdebatte später was, das neue Thema heißt NMD. Da wir nicht alle drei Alexander sein können, muss ich mich wohl fügen und die Weltpolitik kommentieren, ob ichs kann oder nicht.

Wir würden die Potenzen der USA unterschätzen, wenn wir annähmen, dass aus NMD, dem Raketenabwehrsystem, nichts wird. Die Amerikaner haben die Mondlandung angekündigt und ausgeführt. Aber NMD würde gegen den Salt-Vertrag verstoßen, in dem seinerzeit die USA und die Sowjetunion ihre Raketenabwehrsysteme beschränkt haben. "Wir haben noch reichlich Zeit für eine Vertragsänderung, erst die Installation in zwanzig Jahren wäre ein Vertragsverstoß, bis dahin handeln wir das noch aus." Russland muss das ganz anders sehen.

Wenn jemand einen Anbau plant, für den er wegen Grenzbebauung das Einverständnis des Nachbarn braucht, aber das Baumaterial schon anfahren lässt, ohne mit ihm auch nur gesprochen zu haben, ist der Nachbar schwer verschnupft. "Ach was, Russland ist doch auf lange Sicht eine globalstrategische Null. Mehr als beleidigt zu sein, können die NMD gar nicht entgegensetzen." Dass die USA die Größten sind, ist unbestritten. Aber wenn sie das Russland spüren lassen, ist das sehr unklug. Eine Großmacht, die den Verlust ihres Imperiums zu verkraften hat, ist doppelt empfindlich für Demütigungen.

Antje Vollmer bemerkt bloß nebenbei, dass Russland soeben seine Beziehungen zu Indien, China, Japan intensiviert. Das ist kein Grund zur Eifersucht, solange diese Zuwendung nicht zugleich eine gezielte Abwendung ist von Europa und den USA. Wir Deutschen, besonders wir Ostdeutschen, haben von dem Zerfall des Sowjetimperiums profitiert. Wir sollten deshalb unserem mächtigsten Verbündeten - wenn es sein muss penetrant - einen pfleglichen Umgang mit Russland nahelegen.

"Die Welt erträgt in der Regel keinen Unilateralismus", sagt Antje Vollmer. Der Bilateralismus ist aber für die Welt auch kein Vergnügen, wie uns der Kalte Krieg gezeigt hat. Ein großes asiatisches Bündnissystem, in dem Japan mit einbezogen ist, halte ich für eine Träumerei am europäischen Kamin nach der Melodie "seid nett zueinander". Die asiatischen Opferstaaten des japanischen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg sind zu korrekten Beziehungen zu Japan bereit, die ja auch wirtschaftlich vorteilhaft sind, aber schwerlich zu mehr. Japan ist ja auch nicht gerade Weltmeister bei der eigenen Vergangenheitsbewältigung. Da schwelt eine Glut, die sich in zwanzig Jahren schwerlich löschen lässt.

Wenn Russland sein Heil bei der unaufhaltsam aufstrebenden Großmacht China suchen würde, würden wir uns auf einen neuen Bilateralismus zu bewegen, der Europa marginalisiert. Ob von den USA beabsichtigt oder nicht, vor allem China wird NMD als gegen sich gerichtet deuten. Mir wäre wohler, wenn NMD als internationales Raketenabwehrsystem einvernehmlich konzipiert würde. Aber die Amerikaner huldigen noch dem Grundsatz des Schweizer Nationalhelden: "Der Starke ist am mächtigsten allein." Tell hat sich eines Besseren belehren lassen. Das lässt hoffen.

Richard Schröder ist Professor für Theol

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