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Türkei und Europa: Heimatkunde

Mittelfristig wird sich die Türkei zwischen einer Orientierung nach Westen und der Suche nach einer politischer Heimat im Mittleren Osten entscheiden müssen. Eine völlige Neutralität in dieser spannungsgeladenen Region ist kaum möglich.

Der türkische Ministerpräsident hat durch das Wahlergebnis ein breites Mandat dafür erhalten, sein Land auf dem Weg zur Modernisierung weiter voranzubringen. Er könnte aus dem Wahlsieg aber genauso ein Recht auf die weitere, schleichenden Re-Islamisierung des öffentlichen Lebens ableiten. Wähler hat er aus beiden Lagern an sich binden können. Der Regierungschef war bislang durchaus willens, das muslimische Element auf allen Ebenen stärker zu betonen. Das hat er durch den – gescheiterten – Versuch gezeigt, den seiner eigenen, islamisch geprägten Partei entstammenden Außenminister Gül zum Staatspräsidenten wählen zu lassen. Ein Indiz für kluges Ausbalancieren der gesellschaftspolitischen Gegensätze im Lande war das nicht. Welchen Weg die Türkei gehen kann, wird aber nicht nur im Lande selbst, sondern auch in Europa bestimmt. Mittelfristig wird sich der Staat zwischen einer Orientierung nach Westen und der Suche nach einer politischer Heimat im Mittleren Osten entscheiden müssen. Eine völlige Neutralität in dieser spannungsgeladenen Region ist kaum möglich. Wer immer in der EU also Ankara betont auf Distanz halten möchte, muss das Thema vom möglichen Ende her durchdenken: Wollen wir die Türkei außenpolitisch an der Seite Irans, Iraks und der Hamas sehen?

Gerd Appenzeller

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