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TV-Duell: Kandidaten ohne Parteien

Am Sonntag ist es soweit. Kanzlerin Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier treffen sich zum TV-Duell. Ein hitziger Schlagabtausch ist nicht zu erwarten. Es ist das Treffen zweier biederer Bürokraten.

Sonntagabend, deutsches Fernsehen, vier Programme, beste Sendezeit. Endlich ist er da, jener prickelnde Moment, auf den das Wahlvolk so sehnsüchtig gewartet hat. Frank-Walter Steinmeier, der Herausforderer der SPD, erklärt, dass er den Bürgern nun doch reinen Wein einschenken und auch auf Bundesebene Bündnisse mit der Linkspartei nicht ausschließen wolle. Amtsinhaberin Angela Merkel von der CDU sinkt daraufhin auf die Knie, faltet die Hände und erwidert, das zu überstehen sei ihr nur möglich durch ihren tiefen Glauben. Der Einheitsstifter der deutschen Linken gegen die offen konservative Christin: Das Duell wird plötzlich spannend.

Wird es nicht. Zwei biedere Bürokraten, stets kundig, zuverlässig und solide, den Kopf voll Detailwissen, ansonsten eher blass, bisweilen langweilig – so treten Merkel und Steinmeier im TV-Duell auf und gegeneinander an. Kein Charisma, begrenzte Eloquenz, ein wenig Humor und Schlagfertigkeit. In der Zwangsgemeinschaft der großen Koalition sind sie zum Team und sich noch ähnlicher geworden, als sie es ohnehin schon waren. In der Öffentlichkeit begegnen sie einander mit Fairness und Respekt. Frontale Angriffe, unter die Gürtellinie gar, dürften bei ihnen ausgeschlossen sein.

Das Publikum hätte sowieso kein Verständnis dafür. Wer vier Jahre gemeinsam recht reibungslos ein Land führt und es durch die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise in dessen Geschichte laviert, dem nimmt man grundsätzliche Differenzen nicht ab. Merkel und Steinmeier sind nicht mehr unfreiwillig oder widerwillig aneinandergekettet, sondern weil es ihrem Naturell und ihrer täglichen Praxis entspricht. Merkel zieht es in die Mitte, sie will moderieren statt gestalten, Mut zeigen, wenn’s kein Risiko gibt, und sie braucht das Gefühl, eine großkonsensuale Gemeinschaft hinter sich zu haben. Steinmeier hat zeit seines Lebens gedient, im Hintergrund schwierige Kompromisse ausgehandelt, das Rampenlicht behagt ihm ebenso wenig wie die kämpferische Rede. Seine Versuche, durch rhetorische Mittel ein Wir-Gefühl zu erzeugen, enden regelmäßig in der Gerhard- Schröder-Diktion.

Im Amt sind beide stark, als Kandidaten jedoch schwach, weil ihren Parteien entfremdet. Merkels Mitte-Impuls verschreckt die konservative Klientel. Ihr präsidialer Regierungsstil hat den Prozess der Identitätsentleerung der Union beschleunigt. Die Kanzlerin punktet bei der politischen Pflicht und enttäuscht bei der ideologischen Kür. Die Hoffnung, dass sich das mit einem anderen Koalitionspartner ändern würde, schwindet. Merkel ist, wie sie ist. Da schlummert keine andere in ihr, die nur wachgeküsst werden möchte. Steinmeier wiederum steht für die Agenda 2010, die Murat- Kurnaz-Angelegenheit und andere bei Genossen höchst unbeliebte Momente der rot-grünen Epoche. Und auch sonst bedient er den Verdacht, zu Werten wie Gerechtigkeit, Frieden und Bürgerrechten ein eher instrumentelles Verhältnis zu haben. Er vertritt sie, solange nicht übergeordnete Interessen einen Verstoß rechtfertigen. Merkel ist zu links für die CDU, Steinmeier zu rechts für die SPD. Beide haben große Schwierigkeiten, die Stammwähler zu mobilisieren.

Dazu passen ihre minimalistischen Ziele. Merkel ist zufrieden mit Schwarz- Gelb, selbst wenn ihre Partei noch schlechter abschneiden sollte als vor vier Jahren. Steinmeier genügt die Verhinderung von Schwarz-Gelb, selbst wenn Grüne und Linkspartei dazu erheblich beitragen. Und weil sich beide weder persönlich noch inhaltlich angreifen können, verteufeln sie die Potenzialität des anderen. In Merkels DNA hause das neoliberale Kirchhof-Gen, argwöhnen die Genossen; in Steinmeiers DNA liege das wortbrechende Ypsilanti-Gen auf der Lauer, kolportieren die Unionisten.

Und wenn keiner überzeugt? Umfragen sagen, eine Mehrheit der Deutschen will eine andere Regierung als die große Koalition. Mit deren Arbeit allerdings ist eine Mehrheit der Deutschen durchaus zufrieden. Das ist das Dilemma in diesem Herbst: Die Deutschen wollen die Fortsetzung der bestehenden Politik mit anderen Akteuren. Das Personal soll wechseln, die Dienstleistung gleich bleiben.

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