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TV-Serien: ARD und ZDF baden im Lauwarmen

Aufregendes Fernsehen für ein Publikum, das eigene Grenzen austesten will. Das bieten viele US-Serien. Deutsche Fernsehserien sollen abregen – schuld sind die weiblichen Zuschauer.

Es steht unentschieden. Die ARD ist mit der Mafia-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ beim großen Publikum gescheitert, das ZDF hatte den Versuch, mit der Mafia-Serie „Sopranos“ sein Image vom „Traumschiff“-Tanztee-Sender zu verändern, eines Tages still und heimlich aufgegeben. Beiden Serien ist eines gemeinsam: Sie sind episch erzählt, hier wird nicht eine Episode nach 45 Minuten Sendung luftdicht abgeschlossen, hier wird über zehn, zwölf Folgen, wenn nicht über mehrere Staffeln ein Erzählbogen gespannt.

Das verlangt ein ganz anderes Zuschauerverhalten: sich immer wieder auf die nächste Fortsetzung, die die große Geschichte weiterspinnt, vertrösten zu lassen. Wer will das schon, wer liest bei einem spannenden Buch nur an jedem Dienstag ein Kapitel weiter? Eben.

Es ist die Ungeduld, die die Fans des TV-Romans die DVD-Schuber kaufen lässt. „24“ etwa, die Echtzeitserie um Amerika-Retter Jack Bauer, entfaltet ihre Suchtwirkung nur, wenn die 24 Stunden am Stück inhaliert werden. Diese Frequenz geht allein über individuellen DVD-Genuss, kein Fernsehsender kann es sich leisten, solch teuren Stoff in so kurzer Zeitspanne auszustrahlen. Erst in der Glotze, dann im Schuber, lautet die Regel.

Die besten US-Serien wie eben „Sopranos“, „Band of Brothers“ oder „Rom“ hat der Sender HBO produziert. Home Box Office ist ein Pay-TV, das sein zahlendes Publikum passgenau zufriedenstellen will. Über die Serien, die in ihrer Produktqualität das Erzählkino überholt haben, ist HBO erfolgreich geworden. Auch weil sich bei „The Wire“ oder „Californication“ seltsame Hauptfiguren versammeln, einige erinnern an die „Helden“ eines Bret Easton Ellis („American Psycho“). Aufregendes Fernsehen für ein Publikum, das eigene Grenzen austesten will.

Das öffentlich-rechtliche Medium in Deutschland versteht sich komplett anders, als Middle-of-the-Road-TV für alle Gebührenzahler. Das funktioniert, hat aber einen Preis, der vor allem über die Serie bezahlt wird. Da feiert der leicht angehobene Alltag Triumphe, „In aller Freundschaft“ im Krankenhaus, „Um Himmels Willen“ in Kloster und Bürgermeisterei, in der „Lindenstraße“ in der Lindenstraße; all die „Soko“-Krimis im Zweiten testieren Folge für Folge die gesellschaftliche Übereinkunft, dass das Gute stets zu siegen hat. Abregung statt Aufregung.

Es ist noch nicht bis ins Detail ausgemacht, wer die Verantwortung für diese Serienware trägt. Sachdienliche Hinweise kommen aus dem Publikum. Die Frauen sind in der Überzahl vor den Geräten, eisern halten sie die Fernbedienung fest. Die Zuschauer sollen sehen, was Frauen sehen wollen. Was nachmittags mit den Telenovelas beginnt, muss abends bei „Dr. Kleist“ nicht enden. Die Annahme, das weibliche Publikum bade gern im Lauwarmen, ist so falsch nicht.

Und die Männer? Die schmollen bei Gott nicht im Nebenzimmer und ziehen sich die große TV-Epik rein. Sie sitzen vor dem Computer und wandeln via Ballerspiel ihre Niederlagen beim Kampf um den Faustkeil in leichte Siege um.

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