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Ukraine: Zweite Runde

Es geht nicht nur um Julia Timoschenko: Die Europäer sollten jetzt mit der ukrainischen Opposition ins Gespräch kommen.

Eine frühere Sowjetrepublik hat gewählt – und die Präsidentenpartei gewinnt. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Wahlen in der Ukraine dem alten Schema folgen. Doch bei näherem Hinsehen ergibt sich ein anderes Bild: Die Opposition hat sich durchaus behaupten können, die zwei großen Oppositionsbündnisse lagen zusammen nach den ersten Ergebnissen sogar knapp vor der regierenden Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch.

Dabei verlief diese Abstimmung keineswegs fair. Allein die große Differenz zwischen den Nachwahlbefragungen und den ersten offiziellen Ergebnissen deutet darauf hin, dass es Fälschungen gab. Und wie fair können Wahlen in einem Land sein, in dem die Oppositionsführerin nach einem international kritisierten Prozess in Haft ist?

Allerdings konnte Julia Timoschenkos Bündnis nicht von der Empörung über ihre Inhaftierung profitieren. Der Erfolg der neuen politischen Partei des Boxers Witali Klitschko hat gezeigt, dass viele Ukrainer nicht nur von Janukowitsch genug haben, sondern auch von Timoschenko, die in ihren Augen als Regierungschefin dazu beitrug, das Erbe der Orangenen Revolution zu verspielen. Ein Alarmsignal ist der Einzug der ultrarechten, nationalistischen Partei Svoboda ins Parlament.

Janukowitsch hat die vergangenen zwei Jahre dazu genutzt, sich mehr Macht zu verschaffen, auf Kosten des Parlaments. Mit seinen politischen Gegnern, allen voran seiner größten Widersacherin Timoschenko und ihrem Ex-Innenminister Juri Luzenko, rechnete er ab: Beide sind in Haft. Journalisten werden unter Druck gesetzt. Janukowitsch geht den russischen Weg, was die innere Entwicklung seines Landes angeht.

Außenpolitisch versucht sich die Führung beide Optionen offenzuhalten – die russische und die europäische. Trotz heftigen Werbens aus Moskau ist die Ukraine bisher nicht der Zollunion mit Russland, Belarus und Kasachstan beigetreten. Selbst in der als prorussisch geltenden Partei der Regionen gibt es einflussreiche Figuren, die sich für eine europäische Integration des Landes aussprechen.

Doch das bereits ausgehandelte Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union bleibt in der Schublade. Die EU hat die Causa Timoschenko zum Test für eine weitere Annäherung gemacht. Bisher zahlte sich dieser harte Kurs nicht aus. Und es sieht nicht danach aus, als würde Janukowitsch nachgeben wollen. In Kiew gibt es offenbar die Hoffnung, dass die EU ihrerseits nachgeben könnte und Teile des Abkommens bereits vor einer Ratifizierung in die Praxis umgesetzt werden. Doch wenn die EU hier einlenkt, macht sie sich nicht nur in der Ukraine unglaubwürdig.

Nach dem Ende der Fußball-EM ist es in Europa wieder still um die Ukraine geworden. Dabei könnten und sollten Deutschland und die EU durchaus mehr tun: die Zivilgesellschaft stärker unterstützen als bisher und ernsthaft mit der Opposition ins Gespräch kommen, statt so zu tun, als ginge es allein um Julia Timoschenko.

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