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UN-Klimakonferenz: Wende zum Realismus

Kopenhagen hat einen Trümmerhaufen hinterlassen, an dem viele Schuld sind. Doch der Krach war nicht das Ende, denn jetzt liegt der Kampf zwischen Idealisten und Realisten offen zutage. Es ist der Beginn eines Prozesses, der zu Ergebnissen führen wird - weil er die Welt nimmt, wie sie ist.

Kopenhagen hat einen Trümmerhaufen hinterlassen. Schuld daran sind viele: voran China, das heute mehr Treibhausgase in die Atmosphäre pustet als jedes andere Land, aber eine überprüfbare Verringerung verweigert, weil es ein Entwicklungsland sei. Dann die USA, die pro Kopf die mit Abstand meisten Emissionen produzieren, aber ihren Lebens- und Wirtschaftsstil nicht ändern wollen, jedenfalls nicht so schnell und schon gar nicht mitten in der größten Wirtschaftskrise und höchsten Arbeitslosigkeit seit 70 Jahren.

Auch die Entwicklungsländer haben verantwortungslos gehandelt und Agitatoren aus Schwellenländern, die so tun, als verteidigten sie die Armen. Schlimm genug, dass das letzte Angebot der Industrieländer so mager ausfiel. Doch was ist gut daran, dieses Minimum zu torpedieren? Sie spielen die moralischen Sieger, die sich dem „Diktat“ der Mächtigen widersetzen. In Wahrheit ist es eine Schmierenkomödie, wenn Diktatoren über den autoritären Stil demokratischer Partner klagen. Die Moral hat ein bedrohter Inselstaat wie Tuvalu auf seiner Seite, nicht aber Sudans Außenminister. Er ist mitschuldig am Massenmorden in Darfur; sein empörtes Nein im Namen der Gruppe der 77 sollte auch China helfen, Sudans wichtigstem Ölkunden: Wenn die Erste Welt schuld am Scheitern ist, steht Peking nicht allein am Pranger. Ähnlich verlogen polterte Venezuelas Hugo Chavez, der daheim die Demokratie verhöhnt. Dem Klima hilft das nicht. Es war moralisch verbrämter Egoismus.

Der Krach von Kopenhagen war überfällig – und mag am Ende Gutes bewirken. Der bisher verdeckt ausgetragene Kampf zwischen Idealisten und Realisten liegt nun offen zutage und kann, sobald sich Frust und Zorn gelegt haben, konstruktiv wirken. Die Idealisten – manche nennen sie Alarmisten – sagen, die Welt gehe unter, wenn die Emissionen nicht sofort deutlich sänken. Damit müssten die Industrieländer beginnen, die hätten die Lage verursacht. Den Entwicklungsländern wollen sie kaum Auflagen machen, um ihre Wachstumschancen nicht zu beschneiden. Die sollten vielmehr 100 Milliarden Euro pro Jahr Hilfe erhalten. Das entspricht dem Bild einer Welt, wie sie sein sollte, in der sich alle rational und gemeinnützig verhalten.

Man müsse die Welt nehmen, wie sie ist, entgegnen die Realisten. Staaten handelten egoistisch. Das Tempo des Klimaschutzes müsse sich daran orientieren, was in den mächtigen Ländern politisch möglich sei. Und mit den Milliarden für die Klimarettung in der Dritten Welt werde es nicht besser gehen als mit der Entwicklungshilfe: Ein Großteil versacke in Ineffizienz und Korruption. Die Diktatoren dort werden weiter Geld für Waffen ausgeben statt für Klimaschutz.

Die Klimapolitik steht am Wendepunkt, ähnlich wie Europa beim EU-Gipfel 2000 in Nizza. Bis dahin dominierten die Idealisten, die von einem unaufhaltsamen Weg zu den Vereinten Staaten von Europa träumten. In Nizza zogen die Nationalstaaten die Notbremse. Sie bleiben die Hauptakteure. Europas Integration geht dennoch weiter, langsam aber stetig. Die Klimaschützer haben die Gefahr mit ihrem Alarmismus und Idealismus ins weltweite Bewusstsein gehoben. Auch hier übernehmen nun die Macher. Der Krach in Kopenhagen war nicht das Ende. Es ist der Beginn eines Prozesses, der zu Ergebnissen führen wird – weil er die Welt nimmt, wie sie ist.

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