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Meinung: UN-möglich

Die Reform der Vereinten Nationen droht an hohen Zielen zu scheitern – und an den USA

In einer Woche beginnt in New York die 60. Generalversammlung der Vereinten Nationen mit einem Gipfeltreffen, das seinesgleichen sucht. Weit über hundert Staats- und Regierungschefs haben ihr Kommen angekündigt, auch die UN haben in den vergangenen Monaten die Erwartungen an das „major event“ heftig geschürt. Eine entscheidende Reform der Vereinten Nationen selbst sollte bis dahin eingeleitet, internationale Verträge gestärkt und vor allem ein klares Bekenntnis zu den so genannten Millenniumszielen erreicht werden – die vor allem mehr Hilfe für die Entwicklungsländer bedeuten. Doch bisher haben sich die Staaten nicht einmal auf ein Abschlussdokument einigen können. Und nicht nur die notorischen Pessimisten erwarten, dass die Vereinten Nationen an den hohen Erwartungen scheitern werden.

Die Krise, in die der Irakkrieg die Weltorganisation gestürzt hat, ist noch lange nicht vorbei. Kofi Annan hat zwar versucht, mit entsprechenden Reformvorschlägen darauf zu reagieren; unter anderem mit Kriterien, wann der Weltsicherheitsrat in einen Konflikt eingreifen soll und muss. Doch zum einen ist er selbst durch den Korruptionsskandal beim Öl-für-Lebensmittel-Programm der UN für den Irak geschwächt. Die Volcker-Kommission wirft dem Generalsekretär zwar keine unlauteren Absichten vor; trotzdem waren es Annans Beamte, die sich persönlich bereichtert haben.

Zum anderen hat die US-Regierung drei Jahre nach Beginn des Irakkriegs nach wie vor keine Lust, sich anderen Handlungsprinzipien als den eigenen zu unterwerfen. Die Änderungen, die Washingtons UN-Botschafter John Bolton für dass Abschlussdokument vorgeschlagen hat, machen praktisch jedes „muss“ zu einem „sollte“, Verweise auf internationale Verträge wie Kyoto oder den Internationalen Strafgerichtshof sind aus gutem Grund getilgt sowie jeder Verweis auf die Millenniumsentwicklungsziele und Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Können sich die Amerikaner vor allem in diesem Punkt durchsetzen, wäre das ein schwerer Rückschlag, der nicht nur die Bemühungen im Kampf gegen die Armut schwächen würden. Auch der politische Konsens, den die Geberländer vor drei Jahren in Monterrey bereits erreicht haben, wäre zerstört. So ist es kein Wunder, dass das Grummeln und Grollen über die Supermacht bereits eingesetzt hat. Sollte die Kerngruppe, die in New York um das Abschlussdokument ringt, tatsächlich zu keinem Ergebnis kommen, wird dies also nicht nur den Gipfel beschädigen, sondern zudem auch das transatlantische Verhältnis. Der große Teil der Europäer, der nach einer aktuellen Umfrage des German Marshall Funds die US-Außenpolitik verurteilt, sähe sich dann bestätigt; der Wunsch nach größerer politischer Unabhängigkeit von den USA würde vermutlich stärker werden.

Dabei kommt die amerikanischen Haltung nicht ganz unerwartet. Die US-Interimsbotschafterin bei den UN, Anne Patterson, hatte in einer Rede im Juni einen Vorgeschmack darauf gegeben. Doch der Zeitpunkt ist reichlich spät, auch wenn es beispielsweise dem UN-Entwicklungsprogramm ebenfalls erst eine Woche vor Gipfelbeginn gelungen ist, seinen Bericht inklusive Handlungsempfehlungen zu veröffentlichen. Ein Stück weit gehören Rückschläge und Endlosdebatten eben zum Wesen der UN. Vielleicht kommt die dringend notwendige UN-Reform aber eher zu Stande, wenn man sich beim nächsten Mal nicht ganz so viele Ziele auf einmal setzt.

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