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Meinung: Und der Friedensprozess lebt doch Drei Gründe gegen Pessimismus im Nahostkonflikt

Von Christoph von Marschall Die Kommentare tragen schwarz. Ihr Tenor nach dem Rücktritt des palästinensischen Premierministers Mahmud Abbas: Die Road Map sei gescheitert, der Friedensprozess tot; Arafat, den Amerika wegen seiner Blockadehaltung isolieren wollte, habe den internen Machtkampf gewonnen.

Von Christoph von Marschall

Die Kommentare tragen schwarz. Ihr Tenor nach dem Rücktritt des palästinensischen Premierministers Mahmud Abbas: Die Road Map sei gescheitert, der Friedensprozess tot; Arafat, den Amerika wegen seiner Blockadehaltung isolieren wollte, habe den internen Machtkampf gewonnen. Drei Gründe gegen solchen Pessimismus.

Arafat hat nicht gesiegt. Das geplante Misstrauensvotum gegen Abbas musste er sogar abblasen, so wenig kann er auf den Rückhalt in den eigenen Reihen vertrauen. Dessen Rücktritt demonstriert vielmehr den Unterschied zwischen Gestaltungs- und Verhinderungsmacht. Und das ist eine leider normale Erfahrung mit Machtkämpfen in solchen Übergangszeiten. Arafat hat nicht mehr genug Einfluss, um die Richtung zu bestimmen. Doch immer noch genug, um den Erfolg seiner Konkurrenten zu verhindern. Ein solches destruktives Potenzial haben auch noch andere, nicht zuletzt die Terrorgruppen, was aber nicht automatisch heißt, dass sie Herren des Verfahrens sind. Weil sie nie Mehrheiten für sich finden werden.

Die Road Map ist, zweitens, nicht toter als vor einem, zwei oder drei Monaten. Israelis und Palästinenser stehen noch ganz am Anfang ihrer Umsetzung. Und es ist nichts passiert, was ihre Logik in Frage stellt. Im Gegenteil, sie ist lebendiger geworden, weil viele Palästinenser in den kurzen Wochen des Waffenstillstands eine Schlüsselerfahrung gemacht haben: Ihr Alltag verbessert sich dramatisch, wenn es keine Attentate gibt, in deren Folge Israels Armee wieder einmarschiert. Sie können ihrer Arbeit nachgehen, auch in Israel, davon leben viele Familien. Waffenstillstand und Teile der Road Map sind nach wie vor populär in Palästina.

Drittens hat Abbas zwar entnervt aufgegeben, aber sein Rücktritt bedeutet keinen Kurswechsel. Auch der designierte Nachfolger Ahmed Kurei ist geprägt durch den Dialog mit Israel; er hat viele persönliche Kontakte. Die Lage erinnert ein bisschen an die Wirren in Russland unter dem späten Jelzin, der auf viele im Westen den Eindruck einer doppelbödigen Politik machte und alle paar Wochen einen Ministerpräsidenten feuerte, um einen anderen zu erproben. Die Übergangszeit endete, als sich Wladimir Putin durchsetzte. Seine Politik hat viele abschreckende Seiten, aber er ist ein verlässlicher und in weiten Bereichen kooperativer Partner. Gut möglich, dass Israel es eines nicht zu fernen Tages mit einem palästinensischen Putin zu tun hat, der durchsetzen kann, was die Road Map den Palästinensern in der ersten Phase auferlegt: Stopp des Terrors.

Sind drei Gründe gegen Pessimismus auch drei Gründe für Optimismus? Nicht im Nahen Osten. Es kann immer auch noch schlimmer kommen. Wie während der Intifada. Die erwies sich aber als Sackgasse, für beide Seiten. Was die Menschen in frischer Erinnerung haben. Ein Rücktritt löscht das nicht aus.

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