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Ungarns Außenminister Tibor Navracsics

© AFP

Ungarns Außenminister Tibor Navracsics: „Vielleicht bin ich der neue Kommissar“

Er ist der Mann, der Ungarn als neuer Außenminister in die Mitte Europas zurückführen soll. Er verrät auch, in welcher Rolle. Ein Porträt.

Unter normalen Umständen wäre dies ein Sommer herzlichen Einvernehmens zwischen Deutschen und Ungarn: eine Zeit der Dankbarkeit, dass Ungarn 1989 nicht auf Flüchtlinge schoss, wie die DDR es verlangte, sondern seine Westgrenze öffnete und den entscheidenden Stein aus der Berliner Mauer brach. 25 Jahre nach dieser Sternstunde der Geschichte steht Ungarn im Abseits. Manche in Europa argwöhnen, die Demokratie dort sei in Gefahr. Der nationalbürgerliche Premier Viktor Orban hatte seine Zweidrittelmehrheit von 2010 zu Eingriffen in die Justiz, das Wahlrecht, die Medien genutzt. Der Europarat und das Europäische Parlament äußerten Besorgnis, leiteten aber keine Verfahren ein; offenkundige Verstöße gegen Europas Werte, die das rechtfertigen würden, fanden sie nicht.

Ungarns Außenpolitik sieht er „nah an deutschen Positionen“

Der Mann, der Ungarn als neuer Außenminister in die Mitte Europas zurückführen soll, ist Tibor Navracsics. Der 48-jährige Jura- Professor gilt als Vertrauter Orbans, hat als Justizminister die umstrittenen Reformen mitverantwortet, tritt aber nicht forsch auf. Er hört bei Einwänden zu, antwortet konziliant, wirbt um Verständnis, diese Woche in Berlin. Leute, die sich auf Dialog verstehen, kann Ungarn nicht genug haben. So wird Navracsics, kaum Außenminister, bereits als EU-Kommissar gehandelt. „Ja, vielleicht werde ich das“, sagt er offen. Nachbarschaftspolitik oder Verkehr wären Ressorts, die ihn interessieren. Bei den schwergewichtigen Posten gibt er sich als Teamplayer und bringt Polen ins Spiel. Ein Top-Job müsse mit einem Mitteleuropäer besetzt werden, zum Beispiel Polens Premier Donald Tusk als Präsident des Europäischen Rats oder Außenminister Radek Sikorski als Hoher Vertreter für die EU-Außenpolitik.

Ungarns Außenpolitik sieht er „nah an deutschen Positionen“. Mit Blick auf die Ukraine und Sanktionen müsse man „die Folgen bedenken, falls Russland sich aus den Verhandlungen gedrängt fühlt“. Der Widerstand mit den Briten gegen Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident habe nicht der Person gegolten, sondern dem Verfahren. Der Europäische Rat habe das Vorschlagsrecht, es folge nicht automatisch aus der Europawahl.

Ungarn geduldig erklären, das ist seine Antwort auf die „ernsten Ansehensprobleme“. Die Wähler haben der Regierung gerade zum zweiten Mal die Zweidrittelmehrheit beschert. Navracsics sieht darin den Lohn dafür, dass sie das Land aus der „moralischen und ökonomischen Krise“ geführt habe.

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