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Meinung: Ungebetene Gäste

Trotz aller Gegenstrategien: Eine WM 2006 ohne Hooligans kann niemand garantieren

Auf der Großbildleinwand laufen Vorberichte, Tausende strömen in die Innenstadt. Es sind noch einige Stunden bis zum Anpfiff, auf der Bühne gibt es Musik, Väter holen sich das erste Bier, Kinder schwenken Fahnen. Da hallen laute Männerstimmen über den Platz: „Bambule, Randale, Rechtsradikale“, Stühle fliegen, Fäuste schlagen auf Gesichter ein, das Fest versinkt im Chaos – und Deutschland hat seinen Skandal bei der Fußball-WM 2006.

So sieht das Horrorszenario aus, das deutsche Sicherheitsexperten intern durchspielen. Sie bereiten sich auf die WM vor, bei der „die Welt zu Gast bei Freunden“ sein soll. Die Gewalttäter tun das auch. Nach Jahren der versteckten Schlägereien im Wald kehren sie sichtbar in die Stadien zurück. Plötzlich häufen sich Zwischenfälle, nicht nur auf den maroden Fußballplätzen in Ostdeutschland, wo die Gewalt auch eine autoritäre Tradition hat. Deutsche Schläger wüteten vor drei Wochen beim Spiel der Nationalmannschaft in Slowenien. Am Dienstag musste in der Champions League das Mailänder Duell abgebrochen werden, nachdem Spieler mit Leuchtraketen beschossen worden waren. Am Mittwochabend gab es in Turin Schlägereien vor dem Stadion. Der Fußball hat wieder ein Hooliganproblem – in Deutschland, in Europa. Morgen treffen sich die wichtigsten Fahnder des Kontinents, um Gegenstrategien zu beraten. Sie werden sich eingestehen müssen: Sicherheit kann zur WM keiner garantieren.

Natürlich fliegen beim WM-Finale keine Leuchtraketen durchs Berliner Olympiastadion, kaum jemand wird sich trauen, zum Eröffnungsspiel die blauen Sitze aus der neuen Münchner Arena zu reißen. Bekannte Hooligans erhalten keine Eintrittskarten; vor Stadien wird es zwei Kontrollringe geben, tausende Sicherheitskräfte sind vor Ort, unter Tribünendächern surren Überwachungskameras. Die Spielstätten werden sicherer sein als in Dresden oder Mailand, wo es nicht mal Taschenkontrollen gab. Vor den Spielen wird die Polizei bekannten Rädelsführern ins Gewissen reden, ihnen Platzverweise erteilen oder sie zur Kontrolle auf ein Polizeipräsidium bitten.

Doch die Innenstädte macht das nicht sicherer. Denn wie soll man Hooligans, die nach Jahren der Unauffälligkeit durch das Land reisen, erkennen und aufhalten?

Deutschland wird sich abschotten. Der freie Reiseverkehr könnte während der WM aufgehoben werden, es wird Kontrollen auf Bahnstrecken und Autobahnen geben. Alle Informationen laufen im Sicherheitszentrum bei Innenminister Otto Schily zusammen, mobile Einsatzteams beobachten die Szene und nehmen Störer fest. Die Maßnahmen schrecken sicher ausländische Täter ab. Aber viele Krawallmacher aus Osteuropa kennt nicht mal die dortige Polizei.

Trotz aller Unwägbarkeiten halten die Organisatoren die Illusion einer sicheren WM aufrecht. Diese Bilder wollen wir 2006 nicht sehen, rufen heute empörte Fernsehreporter, Organisationschef Franz Beckenbauer fordert eine bessere internationale Koordination. Doch klar ist: Das perfekte Turnier wird es nicht geben können. Der Gastgeber kann nicht jeden Besucher verfolgen, nicht jeden Fan verdächtigen. Die Polizei wünscht sich Alkoholverbote und Eingangskontrollen vor den Großbildleinwänden. Macht eine WM dann noch Spaß? Nicht jeder Chaot kann daran gehindert werden, durchs Land zu reisen und sich per Handy zu einer Schlägerei zu verabreden. Für dieses Szenario haben die Fahnder bislang nur ein Rezept: Hoffnung.

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