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Meinung: Unselige Sache

Der Fall Filbinger ist noch nicht zu Ende – nicht für Oettinger, aber auch nicht für Merkel

Eines ist schon richtig: Über Günther Oettingers Versuch, Hans Filbinger geradezu zu einem Widerstandskämpfer gegen die Nazis zu erklären, zu verklären, lohnt kein Streit. Jeder Versuch dieser Art ist schlicht Unsinn. Und ärgerlich dazu! Ein Ministerpräsident darf so etwas nicht sagen. Das darf ihm einfach nicht passieren. Mag die dummen Sätze auch ein Redenschreiber verfasst haben, politische Bildung verbietet, sie vorzutragen. Auch nicht um der trauernden Familie willen.

Oettinger hat gut daran getan, nicht mehr lange drumherum zu reden. Jeder Tag mehr, an dem er sich uneinsichtig gezeigt hätte, wäre absurd gewesen. Und hätte ihn weiter geschwächt. Bockbeinigkeit scheint aber wohl in Baden-Württemberg Tradition zu bekommen.

So weit dazu. Nun zum binnenpolitischen, zum CDU-politischen Aspekt, der bei dem Kladderadatsch nicht vergessen werden sollte. Also wenn die Bundeskanzlerin und Bundesvorsitzende der Partei mit der ganzen unseligen Sache nichts zu tun haben wollte, wenn sich nichts von dieser leidigen Angelegenheit mit ihr verbinden sollte – dann war ihr Verhalten falsch. Denn Merkel hat die Sache größer gemacht.

Wofür gibt es Generalsekretäre? Kann Ronald Pofalla die CDU Baden-Württembergs nicht auf Dauer zur Räson bringen und hinter Merkel sammeln, ist er der Falsche. Der Generalsekretär ist, man kann es drehen und wenden, wie man will, der geschäftsführende Vorsitzende der Partei. Und Merkel gewarnt hat er auch nicht. Jetzt aber ist sie inmitten des Unmuts, und wer sich ins politische Getümmel begibt, muss mit Remplern rechnen.

Hat sie das etwa vorher getan? Das wäre allerdings eine weitere hochinteressante Wendung. Denn die Konservativen in der Partei haben sowieso schon einen Rochus auf Merkel, wegen Merz, wegen der Wahlen zum Präsidium, wegen der Leyen-Initiative, anderem. Dass ihr Helmut Kohl vorgehalten wird, der so was nie gemacht hätte, liegt auf der Hand. Will sagen, da baut sich Gegnerschaft auf. Sie baut sie auf. Arbeitet Merkel also vielleicht an einer anderen Partei? Die CDU war immer stark, wenn sie diese drei Strömungen hatte: konservativ, sozial, liberal. Da wächst auch wieder bei manchen Konservativen der Verdacht, sie wolle die CDU ummodeln zu einer Art moderater, rein pragmatischer Partei.

Öffentlich ist der Kanzlerin Beifall gewiss, von politischen Gegnern, Wettbewerbern kommt er auch schon. Intern allerdings gibt es einen neuen Merkposten für die Liste ihrer Unzuverlässigkeiten. Dass international das Aufsehen wegen des Falles Filbinger gewachsen sei – Gott, in der CDU spielt das gegenwärtig kaum eine Rolle. Dagegen schon, dass wichtige Landesverbände, genauer: die beiden wichtigsten, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, inzwischen mit der Bundesvorsitzenden über Kreuz sind. Das wird sich nicht heute auswirken, nicht morgen, alles hat seine Zeit. Aber es kommt der Parteitag, irgendwann. Und dann …

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