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Meinung: Unsere besten Aktien

Die SPD will Kinder für Kinder bezahlen lassen – das ist ungerecht

Von Antje Sirleschtov

Wenn Politik überzeugen will, dann muss sie klare Botschaften enthalten und im besten Fall nachvollziehbare Wege aufzeigen. Wertlose Deklamationen zünden selten. Zumal, wenn es sich um etwas so Lebenspraktisches handelt wie die Familienpolitik. Denn Eltern sind – gewissermaßen von Berufs wegen – nicht nur Meister im Verarbeiten von Botschaften. Meisterlich verstehen sie auch die Kunst des Rechnens mit Kleingeld. Gerade ihnen sollte also keiner mit wohlklingenden Worten das familienpolitische Paradies versprechen und gleichzeitig am Konto herumfingern.

Die SPD versucht es trotzdem. Damit sich Familien leichter für Kinder entscheiden, sollen bis 2010 so viele Betreuungsplätze für Ein- bis Dreijährige eingerichtet werden, dass der Rechtsanspruch eines jeden Kindes auf einen Krippenplatz verwirklicht werden könnte. Wahlfreiheit nennt das SPD-Chef Kurt Beck und meint die Freiheit der Eltern, ohne ideologischen Druck entscheiden zu können, ob sie ihren Nachwuchs lieber selbst zu Hause erziehen und dafür auf einen Job verzichten, oder die Erziehungsaufgabe mit Krippenpersonal teilen. So weit, so fortschrittlich.

Welche Wahl aber will die SPD den Eltern lassen? Die allermeisten muten ihrem ein- oder zweijährigen Kind noch keinen achtstündigen Krippenaufenthalt zu. Zumeist Mütter wählen einen gleitenden Wiedereinstieg in den Beruf und benötigen gerade in dieser Zeit jeden Cent, den ihnen das Ehegattensplitting und der steuerliche Betreuungsfreibetrag bieten. Wo schon Halbtagsbetreuungsplätze für Kleinverdiener mehr als 100 Euro kosten und nicht selten Zusatzkosten für stundenweises Babysitting anfallen, ist das Familienbudget eng. Und es wird mit den SPD-Plänen noch enger.

Aber nicht nur diese Familien sollen die neue SPD-Politik bezahlen. Die Wahlfreiheit endet auch mit dem Schulbeginn. Dann nämlich wird es doppelt teuer für die Eltern: Krippen- oder Kita-Plätze brauchen sie nicht mehr, die heutigen staatliche Individualtransfers bekommen sie nicht mehr. Die Kosten jedoch bleiben. Was übrigens auch für Millionen armer Familien gilt, bei denen das Kindergeld einen wesentlichen Anteil am Monatseinkommen darstellt.

Auch, wenn das Verständnis dafür in der SPD-Spitze wenig ausgeprägt ist: Mit 10 Euro im Monat kann ein Hartz-IV-Empfänger sein Kind in Berlin noch nicht einmal für den subventionierten Kita-Schwimmkurs anmelden.

Man kann es drehen wie man will: Das Kinder-bezahlen-für-Kinder-Programm wirft die SPD nicht nur familienpolitisch zurück. Auch dem eigenen Anspruch, der nächsten Generation weniger Schulden zu überlassen, wird man nicht gerecht, wenn keine ressortübergreifenden Prioritäten gesetzt werden. Und letztlich verfehlt die SPD auch ihren ureigenen sozialen Gerechtigkeitsanspruch. Danach sollten gerade die Familien – besonders die Kinder – im Mittelpunkt der Politik stehen, weshalb die Partei die Ausgaben für sie nicht kürzen oder umschichten sondern zulasten anderer Politikbereiche erweitern muss. Bei der geplanten Absenkung der Steuersätze für Konzerne und Aktienbesitzer funktioniert das ja schließlich auch.

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