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Meinung: Unsere goldenen Kälber

Einseitige Globalisierung: Die Dritte Welt braucht endlich Zugang zum Weltmarkt

Die Welthandelsorganisation WTO steht vor einem gigantischen Scherbenhaufen: Obwohl die Gespräche über den weltweiten Abbau von Zollschranken und Subventionen noch nicht vollkommen tot sind, befinden sie sich zwischen Intensivstation und Krematorium, wie Indiens Wirtschaftsminister Kamal Nath gerade diagnostizierte.

Die Hoffnung, dass die fast 150 Mitglieder der WTO sich am Ende doch noch auf ein Abkommen über ein neues, faireres Handelssystem einigen könnten, sie ist geplatzt. Vier Jahre nach dem Auftakt der jüngsten Gesprächsrunde haben sich ihre Teilnehmer im Streit getrennt – und niemand weiß, ob sie je wieder zusammentreten werden.

Dabei hatten Experten bei einem erfolgreichen Abschluss große Gewinne für die Weltwirtschaft prophezeit: Die Weltbank hatte geschätzt, dass eine umfassende Liberalisierung des Welthandels fast 70 Millionen Menschen aus der Armut befreien könnte. Diese große Chance ist vertan worden.

Die größten Verlierer dieser Entwicklung werden die Armen sein. Sie bleiben auch künftig von den lukrativen Agrarmärkten der Industrieländer weitgehend ausgeschlossen. Dabei ist es eine ökonomische Notwendigkeit, dass gerade sie ihre Produkte auf den Märkten der Reicheren verkaufen können – und damit einen Einstieg in die Weltwirtschaft schaffen.

Schon deshalb sind die absurd hohen Geldsummen, die Europäer, Nordamerikaner aber auch Japaner in Agrarsubventionen stecken, so empörend. Denn sie machen die anderswo in der Welt dringend notwendige Entwicklung zunichte – und produzieren neue Armut. Für jede Milchkuh zahlt die US-Regierung ihren Farmern jährlich 650 Dollar an Subventionen – das ist mehr, als das Sozialprodukt pro Kopf in über 30 Ländern südlich der Sahara ausmacht.

Natürlich sind die armen Länder an ihrer wirtschaftlichen Misere nicht schuldlos: der innerafrikanische Handel existiert zum Beispiel wegen der hohen internen Zollschranken fast gar nicht. Die weitaus meisten Ausfuhren werden noch immer unverarbeitet in den Westen verschifft.

Zunächst brauchen wir jedoch ein gerechteres Handelssystem. Wenn die Armen nämlich keine wirtschaftliche Perspektive haben, steigt der Druck. Die afrikanische Erfahrung lehrt: Ohne ein Ende der Armutsflucht können die Inseln des Wohlstands bald zu Halligen werden. Abhilfe kann der Norden nur schaffen, wenn er es den Armen im Süden ermöglicht, den Lebensunterhalt im eigenen Land zu verdienen.

Welthandel und Wohlstand sind eine zentrale Voraussetzung für eine Besserung der Lage in der Dritten Welt. Wer daran interessiert ist, sollte nicht für die Abschaffung des gegenwärtigen Wirtschaftssystems plädieren, sondern – im Gegenteil – dafür, es allen zugänglich zu machen. Das immer lautere Pochen afrikanischer Flüchtlinge an Europas Pforte bei Gibraltar müsste dem Westen Mahnung genug sein, dass es auf Dauer nicht damit getan ist, die Zugbrücke zur eigenen Wohlstandsfestung hochzuziehen.

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