zum Hauptinhalt
Francesco Schettino, Kapitän der "Costa Concordia", wurde in Haft genommen.

© dpa

Untergang der "Costa Concordia": Antonello wollte winken

Das Meer ist nur noch Kulisse: Kreuzfahrtschiffe leben in einer eigenen Welt aus Restaurants, Pools und Diskotheken. Das befördert den Übermut der Beteiligten.

Der Kapitän geht als Letzter von Bord. So heißt es. Es ist ein Satz, sehr heroisch und eigentlich aus der Zeit gefallen, von dem jeder auf See hofft, dass er niemals nötig sein wird. Am allermeisten der Kapitän selbst. Denn er mag eine vorbildliche Karriere in den Diensten irgendeiner Reederei absolviert und viele fremde Länder gesehen haben, der Tag, an dem all das nichts mehr zählt, weil „sein“ Schiff sinkt, zeigt erst, was für ein Mensch er ist. Es gibt nichts Beschämenderes als einen Kapitän, der sich zuerst rettet.

Wie lange Francesco Schettino an Bord der Costa Concordia geblieben ist, als das Schiff unmittelbar vor der Mittelmeerinsel Giglio auf Grund lief und sank, ist nicht geklärt. „Sehr lange“, sagen die einen. Doch insbesondere die Küstenwache macht Schettino schwere Vorwürfe. Viel zu früh habe er die Evakuierung der über 4000 Menschen an Bord der Costa Concordia sich selbst überlassen. Seine Reederei distanziert sich von ihm. Ein Mann, der versagt hat, so sieht es jetzt aus.

Tatsächlich gab es für das riesige Passagierschiff keinen ersichtlichen Grund, so gefährlich nahe an die Insel heranzufahren. Die Passagiere widmeten sich dem Dinner. Draußen war es bereits dunkel. Und der Kellner Antonello, dessentwegen der Kapitän das gefährliche Manöver vollführt haben soll, kannte die Insel bereits. Er kommt von dort.

Doch verrät das Vorgehen des Kapitäns auch eine Praxis, die in der Kreuzfahrtbranche immer üblicher wird. Wachstumsraten von 20 Prozent lassen die Branche boomen wie kaum eine andere im Tourismussektor. Die Schiffe werden immer größer, um immer mehr Reisende aufzunehmen. Da stößt das Prinzip Kreuzfahrt an seine Grenzen. Denn es ist ja nicht das Meer selbst, das die Kreuzfahrer suchen. Sie wollen möglichst komfortabel zu fernen Orten transportiert werden. Und die Ozeandampfer bieten dieses Vergnügen mit einer in sich geschlossenen Welt aus Kinosälen, Spielsalons, Bars, Diskotheken, Restaurants, Fitnessclubs und Wellnessbereichen. Das Meer ist da bloß noch Kulisse.

Aber was sind diese fernen Orte, wenn man sie nicht mehr sieht? Wenn die Distanz der schwimmenden Wohlfühlwelten zu groß wird von den Sehenswürdigkeiten, die in all dieser Künstlichkeit des Bordalltags Abwechslung versprechen? Der Luxus will auch Nähe.

Und so kommt es womöglich, dass Francesco Schettino mit seinem 291-Meter-Schiff, das so hoch ist wie der Reichstag (mit Kuppel), ein Gefühl für die gebotene Distanz verloren hat. Bedrängt von Passagieren, die nicht hören wollen, dass eine kleine Insel aus Sicherheitsgründen leider weiträumig umfahren werden muss, so dass sie selbst gar nichts erkennen können.

Aber auch für einen Kapitän gilt, dass er leider auch mal Fehler macht. Was er danach tut, ist entscheidend. Dass er der Letzte sein soll, der das Schiff verlässt, ist dabei viel mehr als guter Brauch. Mit dieser Perspektive vor Augen soll er dafür sorgen, dass seine Mannschaft auf eine mögliche Rettung der Passagiere gut vorbereitet ist. Dass sie schnell und umsichtig agiert. Es ist seine Lebensversicherung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false