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Meinung: US-Energiepolitik: Zu tief gebohrt

In Europa wird er kritisiert, verspottet und beschimpft. Nach Ansicht der meisten Amerikaner jedoch macht George W.

In Europa wird er kritisiert, verspottet und beschimpft. Nach Ansicht der meisten Amerikaner jedoch macht George W. Bush seine Sache ausgesprochen gut. Der jüngsten Umfrage zufolge sagen das immerhin 59 Prozent. Als Bill Clinton im August 1993 zum ersten Mal als Präsident in die Sommerferien ging, standen nur 45 Prozent der Wähler hinter ihm. In den persönlichen Sympathiewerten ist der Abstand zwischen den beiden sogar noch größer.

Auf einem Gebiet allerdings hat Bush offenbar jeglichen Kontakt zur Basis verloren: Umweltschutz. Eine Mehrheit der Amerikaner, das ist überraschend, findet den Umweltschutz inzwischen wichtiger als das Wirtschaftswachstum. Mehr als 80 Prozent sind der Auffassung, was weniger überrascht, dass dies bei Bush genau andersherum sei. Einstimmig hat der außenpolitische Ausschuss des US-Senats am Mittwoch den Präsidenten aufgefordert, sich für ein internationales Abkommen einzusetzen, mit dessen Hilfe sich die globale Erderwärmung bekämpfen lässt. Selbst die schärfsten Kritiker des Kyoto-Vertrages räumen heute ein, dass der Senat niemals die Absicht gehabt habe, alle Verhandlungen über das Kyoto-Protokoll rigoros abzubrechen. Und zu guter Letzt mehren sich inzwischen auch die Stimmen aus der US-Energieindustrie, die verbindliche Obergrenzen für den Ausstoß von Schadstoffen fordern. Das alles lässt Bush indes erstaunlich kalt.

Seine Partei stellt die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Das hat der Präsident jetzt, kurz vor der Sommerpause, zweimal geschickt für sich genutzt. Die Abstimmungserfolge in Sachen Klon-Verbot und Energiepolitik sollten vor allem Geschlossenheit und Machtbewusstsein demonstrieren. Die religiöse Rechte umarmt die Automobil- und Energieindustrie. Die Strategie der Republikaner heißt: Wir übertreiben unsere Anliegen, damit wir die Kompromisse, die wir mit den Demokraten im Senat eingehen müssen, als unseren Sieg verkaufen können. Gut möglich, dass das Kalkül aufgeht.

Auf die Ölbohrungen in Alaska etwa wird die Bush-Administration wegen des Widerstands der Demokraten wahrscheinlich verzichten. Dafür peitscht sie dann den Rest ihres Energieprogrammes durch - und wird, wann immer die Energiepreise steigen, mit dem Finger auf die Opposition zeigen. Denn die habe ja seinerzeit die Ölbohrungen in Alaska verhindert. Das ist so fies wie raffiniert. Eine gewisse Virtuosität jedenfalls in der Beherrschung des politischen Handwerks kann man den amerikanischen Konservativen nicht absprechen.

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