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Meinung: US-Gegenschlag: Die Grüne und der General

Die Auseinandersetzung mit dem neuen Terrorismus ist vor allem eines: Nervensache. Gestern nun wurde die rot-grüne Koalition nervös.

Die Auseinandersetzung mit dem neuen Terrorismus ist vor allem eines: Nervensache. Gestern nun wurde die rot-grüne Koalition nervös. Zunächst die Grünen in Gestalt ihrer Vorsitzenden Roth, danach der SPD-Generalsekretär Müntefering.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Schwerpunkt: US-Gegenschlag, Nato und Bündnisfall Schwerpunkt: Osama Bin Laden Schwerpunkt: Afghanistan Schwerpunkt: Islam & Fundamentalismus Schwerpunkt: Innere Sicherheit Chronologie: Terroranschläge in den USA und die Folgen Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Claudia Roth forderte die Amerikaner zu einer Feuerpause bei ihren Angriffen in Afghanistan auf. Sie argumentiert, die militärische Kampagne der USA sei in einer Phase der Unsicherheit angekommen. Nun solle erst noch einmal nachgedacht und zwischenzeitlich den Afghanen geholfen werden. Das klingt plausibel, wenn man Folgendes glaubt zu wissen: 1. Es gibt bedeutende "Kollateralschäden", also zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung. 2. Die Klusterbomben sind Ausdruck taktischer Hilflosigkeit und nicht Teil einer Strategie. Weiß Claudia Roth das? Es wäre gut, wenn sie als deutsche Politikerin und wir als Medien es wüssten. Aber das eine sagen uns - von dem einzigen Fall der Bombardierung eines Dorfes abgesehen - nur die Taliban. Das andere wissen wir auch nicht, weil die USA ihre Militärstrategie nicht detailliert offenlegen.

Das ist, wie gesagt, bedauerlich und strapaziert unser Vertrauen. Aber kann es für die Vorsitzende einer mitregierenden Partei ein Grund sein, nach nur sieben Tagen Krieg den Amerikanern das Vertrauen zu entziehen? Und kann es darüber hinaus sinnvoll sein, wenn der Fraktionschef Rezzo Schlauch ebenfalls eine Feuerpause nahe legt - mit dem selbstverständlich sehr realomäßigen Argument, sie stehe "im ureigensten Interesse der USA und ihrer Verbündeten"?

Man kann den Sinn solcher Vorschläge zum jetzigen Zeitpunkt bezweifeln. Man kann aber trotzdem gut verstehen, wie sie entstanden sind und warum der Parteirat ihnen zugestimmt hat. Claudia Roth war in den letzten Tagen in Pakistan. Und wenn diese Herzenspolitikerin eine Schwäche hat, dann die: Sie lässt sich manchmal von ihrer eigenen Betroffenheit hinwegtragen und verliert dabei das Gefühl für Proportionen und Zeitpunkte. Hinzu kommt, dass viele Spitzengrüne am Wochenende in ihren Kreisverbänden waren und den Eindruck gewannen, die Basis sei skeptisch gegenüber der rot-grünen Regierungslinie. Nicht zuletzt wird am kommenden Sonntag in Berlin gewählt, und die PDS hat in den Umfragen mit ihrem Pseudo-Pazifismus zwei Prozentpunkte zugelegt. Die Forderung nach einer Feuerpause hat also auch taktische Gründe.

Natürlich bringen die Grünen sich damit in eine schwierige Situation. Denn was wird aus ihrer zuvor bekundeten vollen, vollsten und allervollsten Solidarität mit den USA, wenn die jetzt nicht auf Schlauch und Roth hören? Die gestrigen Äußerungen erzeugen also einen feinen transatlantischen Haarriss, auch einen in der rot-grünen Koalition.

Mehr aber auch nicht. Zumindest dann nicht, wenn die SPD jetzt nicht überreagiert. Damit sind wir bei Franz Müntefering, der seinerseits nervös wird. Gleich im Anschluss an die grünen Forderungen nach einer Feuerpause eröffnete der SPD-General das Feuer: Es habe keinen Sinn, aus dem deutschen "Sandkasten" heraus der Regierung in Washington zu sagen, was sie besser machen könne. Sodann stellte er kategorisch fest: "Wir haben nicht die Absicht, Amerika für seine Maßnahmen zu kritisieren." Niemand hat die Absicht ...

Dazu muss man zweierlei sagen. Zum einen ist Deutschland kein Sandkasten, die Deutschen sind nicht die Kinder der Amerikaner, so wenig wie die Grünen die Kinder der SPD sind. Zum anderen hat Deutschland zwar SPD-Ortsvereine, Deutschland ist aber kein SPD-Ortsverein. Insofern kann Franz Müntefering keine große Zustimmung erwarten, wenn er alle Kritiker der Amerikaner für mindererwachsen erklärt und ihnen signalisiert, sie sollten die Hacken zusammenschlagen. Wenn es stimmt, dass wir in einer neuen historischen Situation sind, dann wird auch Franz Müntefering lernen müssen, seinen Ton zu ändern. Nicht wegen der Grünen, aber wegen der Bürger.

Die Forderung von Roth war vielleicht nicht klug. Legitim war sie allemal.

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