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US-Präsident Obama: Er kennt keine Parteien mehr

Barack Obama rückt in die Mitte – und nimmt der Opposition damit den Spielraum

Mit der Macht kommt die Verantwortung. Und das Ende einer Oppositionsstrategie, die sich auf das Nein zu den Plänen der Regierung beschränkt. Daran haben sich die Republikaner noch nicht gewöhnt. Deshalb hat sich die innenpolitische Dynamik in weniger als drei Monaten komplett gedreht.

Präsident Obama hat im November seine Kongressmehrheit verloren. Jetzt ist er obenauf. Die Republikaner haben damals hoch gesiegt, nun fallen sie dramatisch zurück. Der Präsident ist befreit davon, Rücksicht auf seine Partei zu nehmen. Ungeniert greift er Forderungen der Konservativen auf und präsentiert sie in seiner Rede zur Lage der Nation als eigene Ziele. Die Staatsverschuldung ist unverantwortlich hoch; das Land muss drastisch sparen. Nur zwei Ausnahmen will er zulassen: das Budget fürs Militär und „Investitionen in die Zukunft“ wie Schulbildung, Forschung, Biotechnik, saubere Energie. Das leuchtet den meisten Eltern und Großeltern in Amerika ein. Sie wollen ihren Kindern und Enkeln einerseits keinen riesigen Schuldenberg hinterlassen, ihnen aber andererseits alles mitgeben, was nötig ist, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, sowohl in teurer High-Tech-Konkurrenz mit Europa als auch gegen Aufsteiger wie China und Indien, die viel preiswerter produzieren.

Im Wahljahr 2010 hatten die Republikaner Obama erfolgreich als „Sozialisten“ porträtiert, der zu viele Aufgaben dem Staat übertrage, statt sie der Privatwirtschaft und der Eigenverantwortung der Bürger zu überlassen, und der den Staatsapparat aufblähe. Das waren eingängige und ein bisschen zu simple Formeln. Auch jetzt versuchen viele Konservative Obamas „Zukunftsinvestitionen“ als überflüssige Staatsausgaben zu diskreditieren – in der Hoffnung, dass sich mit den siegreichen Etiketten von gestern auch morgen noch politischer Gewinn erzielen lässt.

Doch die Machtkonstellation hat sich fundamental geändert. Vor der Kongresswahl verfing der Vorwurf, Obama gehe zu wenig auf die Republikaner ein und mache mit der demokratischen Mehrheit „linke Politik“. Nun rückt er in die Position, in der Amerikaner ihren Präsidenten am liebsten sehen: über den Lagern. Das spaltet die Republikaner, das war nach Obamas Rede unübersehbar. Statt der üblichen einen Gegenrede der Opposition gab es zwei: Paul Ryan bekannte sich für die moderaten Republikaner zur nötigen Zusammenarbeit. Michelle Bachmann sprach für die Neuabgeordneten aus der Tea Party und lehnte Kooperation ab. Das macht es Obama leichter.

Als Nein-Sager dazustehen, ist keine Erfolgsstrategie auf Dauer, jedenfalls nicht in den USA. Das wissen die meisten Konservativen und suchen nach einem Ausweg. Besonders schwer ist das jedoch für die Vertreter der Tea Party. Ihre Wahlparolen werden nun als realitätsfern entzaubert. Egal, ob sie störrisch bleiben oder einknicken – aufs Erste nützt das in beiden Fällen Obama. In drei Monaten kann freilich alles schon wieder anders sein. Amerika reagiert auf die anhaltende Krise mit immer hektischeren Stimmungswenden.

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