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Mitt Romney fordert Barack Obama heraus.

© dapd

US-Präsidentschaftswahlen: Romney hat die Wende noch nicht geschafft

Seinen Sieg im ersten TV-Duell mit Barack Obama hat Mitt Romney sich teuer erkauft. Es könnte sein, dass die Bürger ihm seinen inhaltlichen Kurswechsel übel nehmen werden.

Es ist ein Schock für Europa. Barack Obama kann die Wahl noch verlieren? Die meisten Deutschen nehmen ihn als alternativlos wahr – die Republikaner gelten nicht als ernsthafte Wahl. Zudem war er doch der Popstar der Medien schlechthin. Und dieser Mann soll die wichtigste Fernsehdebatte des Jahres verloren haben – gegen einen Mitt Romney, der bisher nicht gerade telegen wirkte?

Amerika folgt anderen Regeln als Europa. Die Faustformeln bewahrheiten sich auch 2012. Das Schlagwort von der „October Surprise“, die den Trend kippen kann. Die Erfahrung, wonach Herausforderer in den TV-Rededuellen meist besser abschneiden als der Amtsinhaber. Die Haupterklärung dafür: Präsidenten sind Widerspruch nicht mehr gewohnt. Seit vier Jahren redet ihnen die Umgebung meist nach dem Mund. Sie reagieren nicht souverän, wenn der Konkurrent Kontra gibt, und das womöglich mit Behauptungen, von denen beide wissen, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen, sondern Wähler umgarnen sollen.

Erneut zeigt sich auch: Der visuelle Eindruck ist wichtiger als inhaltliche Überzeugungskraft – jedenfalls im Fernsehen. Klar gewonnen hat Romney das Duell im Urteil der TV-Sender und ihrer Zuschauer. Bürger, die die Debatte am Radio verfolgt haben, hatten den Eindruck, Obama sei besser gewesen. Auch das Urteil der Zeitungen ist ausgewogen, wenn auch geteilt je nach der politischen Ausrichtung. Konservative Blättern sehen Romney als Sieger, progressive meinen, Obama habe die Schlacht um die Argumente gewonnen. Obama habe zwar die Erwartungen enttäuscht, Romney seinen Überraschungserfolg jedoch teuer erkauft: mit Behauptungen, die einer Überprüfung nicht standhalten, und mit Positionswechseln, die den verbreiteten und für ihn schädlichen Eindruck verstärken, er sei ein „Flip Flopper“: ein Mann ohne Überzeugungen, der jeweils das sage, wovon er sich gerade den meisten Nutzen verspreche.

Romney verkauft Politik ganz ähnlich wie Konsumprodukte. Einer Zahnpasta oder einem Auto wirft man ja auch nicht vor, dass die neueste Version sich vom Vorgängermodell unterscheidet. Der Hersteller wirbt offensiv damit, dass er das Produkt überarbeitet habe. So weit kann Romney nicht gehen. Aber er setzt darauf, dass er den neuen Romney mit einer guten Werbekampagne als das bessere Angebot darstellen kann – und dass die Wähler ihm den Kurswechsel nicht übelnehmen.

Ein Beispiel von vielen: Romney und sein Vize Paul Ryan versprechen seit Monaten, die Steuern für alle zu senken. Obama will dagegen die Sätze für die Reichen erhöhen. Der Kontrast schadete Romney in den Umfragen. In der Debatte versprach er nun, er werde die Steuern für Reiche nicht senken. Solche Wenden sind hoch riskant. Obama war überrascht und verpasste die Chance zum Gegenangriff, was seine Anhänger enttäuschte.

Romney wettet auf die Chance, dass die Wähler einen neuen, einen zweiten Blick auf ihn bekommen. In den 48 Stunden danach ging dieses Kalkül auf. Die ersten Umfragen zeigen einen Gewinn für Romney. Doch die Chance des zweiten Blicks eröffnet sich nun auch anders herum. Mit zwei, drei Tagen Abstand beginnen die Medien Romneys Positionswechsel zu hinterfragen.

Die neuesten Umfragen stammen vom Tag nach der Debatte. Sie messen nur die erste Welle, die Romney begünstigt. In zwei der sieben entscheidenden Swing States hat Obama seine Führung verloren: in Florida und Virginia. In Ohio, Colorado und Iowa hat sich sein Vorsprung verringert, beträgt aber noch komfortable drei Prozentpunkte. Das ist ein Warnsignal, aber noch keine Wende in den Wahlaussichten. Obama kann auch ohne Florida und Virginia siegen – selbst ohne Ohio. Romney müsste jedoch fast alle Swing States gewinnen, um ins Weiße Haus einzuziehen.

Die Botschaft der Umfragen ist im Übrigen widersprüchlich. In den nationalen Umfragen hat Obama überhaupt nicht an Boden verloren. Im Schnitt der Erhebungen führte er vor der Debatte mit 3,1 Prozentpunkten; zwei Tage nach der Debatte sind es 3,2 Prozentpunkte.

Offen bleibt zunächst, wie sich die zweite Welle des zweiten Blicks auswirkt: Wenn die Analysen, inwieweit Romneys forsche Behauptungen der Faktenkontrolle standhalten, die Wähler erreichen. Eine Antwort werden erst die Umfragen der nächsten Woche geben.

Zudem waren nicht alle Nachrichten der jüngsten Tage schlecht für Obama. Die Arbeitslosenquote ist erstmals seit seinem Amtsantritt unter acht Prozent gesunken. Und die Republikaner verloren weitere Prozesse, in denen es um Auflagen für Wähler ging, die es Obamas Anhängern erschwert hätten, ihre Stimme abzugeben.

Gut möglich, dass die erste TV-Debatte ein Wendepunkt war. Romney ist nicht mehr chancenlos. Im zweiten Rededuell am 16. Oktober wird Obama anders auftreten. Noch liegt er in Führung.

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