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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

US-Senat: Filibustern bis der Arzt kommt

Der US-Senator Rand Paul konnte im Senat zwölf Stunden und 51 Minuten nicht den Rand halten. Er redete in einer Tour. Filibuster nennen die Amerikaner diese Debattenverzögerung. Unser Kolumnist Helmut Schümann bewundert die Ausdauer.

Wenn man Buchstaben aneinanderreiht, entstehen dabei in der Regel sinnvolle Wörter, von Ausnahmen wie krzglqurx mal abgesehen. Reiht man nun Wörter hintereinander, können Sätze entstehen. Auch hier eine die Regel bestätigende Ausnahme: „Ich Tarzan – du Jane.“ Aus mehreren Sätzen, die sich an ein Publikum wenden, kann eine Ansprache werden. Und wenn so eine Ansprache groß wird, lang und länger, ja, dann hören wir einer Rede zu. Mehr oder weniger interessiert, oft gelangweilt bis zum Stillstand der Augen. Eine Rede sollte ein sinnvolles Thema haben, vielleicht sogar eine Aussage, eine Meinung, eine Logik. Ausnahmen fallen einem viele ein, aus dem Bundestag zum Beispiel oder die berühmten endlos langen Reden von Fidel Castro. Im Senat der USA sind solche sinnfreien Reden keine Ausnahme, sie können zur Regel werden, dann heißen sie Filibuster. Ein Filibuster entspricht im deutschsprachigen Raum dem Ohr abkauen oder Ohr abquatschen. Man kann hierzulande auch versuchen, einen Filibusterer mit einer überraschenden Frage zu stoppen: „Hast du keinen Friseur?“

Rand Paul, einen republikanischen Senator, hätte die Frage nicht irritiert. Er hatte angekündigt, dass er reden werde, bis er nicht mehr könne. In der Nacht zum Donnerstag war das gegen 00.40 Uhr Ortszeit der Fall. Bis dahin hatte Rand Paul zwölf Stunden und 51 Minuten seinen Rand nicht halten können. Er tat dies, weil man im Senat so lange reden darf, wie man will, weil er die Ernennung des neuen CIA-Chefs John Brennan verzögern wollte und von Barack Obama eine Erklärung möchte, dass der keine Drohnenangriffe auf Amerikaner auf US-Boden startet. Übrigens eine sehr milde Haltung eines republikanischen Falken. Rand brauchte bei seiner Rede nicht Konzept, nicht Idee, beim Filibuster dürfen auch Telefonbücher vorgelesen werden. 1935 zum Beispiel hat der Senator Huey Pierce Long in seiner 15-stündigen Rede auch Rezepte für gebratene Austern vorgetragen.

Der König der Filibuster aber ist Strom Thurmond, der 1957 24 Stunden und 18 Minuten lang die Rassentrennung verteidigte. Die einzigen Vorgaben für Laberer: Sie dürfen sich nicht setzen und den Saal nicht verlassen. Für Thurmond stand damals eigens in einem Nebenraum ein Eimer bereit, in den er hätte urinieren können, wenn er nur ein Bein im Raum hätte stehen gelassen. Mitunter scheint es, als ob manch Amerikaner auch inhaltlich nicht über „Ich Tarzan – du Jane“ hinausgekommen ist.

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