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US-Vorwahlen: Jungwähler als farbenblinde Generation

Die Siege von Barack Obama bei den demokratischen Vorwahlen in den USA zeigen, dass sich die amerikanische Politik im Umbruch befindet. Allen Erwartungen zum Trotz sind es vor allem die Jungwähler, denen Obama den Rückenwind zu verdanken hat.

Offenbar handelt es sich bei den Jungwählern um die erste „farbenblinde“ Generation Amerikas. Lange galten die Rassenunterschiede in den USA als unüberwindbar. Dann kam Michael Jordan: Als erster schwarzer Sportler wurde er zum Mega-Idol der nach 1980 Geborenen. Ausgerechnet in der Phase, in der Jugendliche am leichtesten zu beeindrucken und am empfänglichsten für Vorurteile sind, haben sie Jordan nicht nach seiner Hautfarbe beurteilt, sondern nach seinen Titelgewinnen, Punkterekorden und legendären Slam-Dunks.

Auch bei einem weiteren großen US-Sportidol, dem Golfprofi Tiger Woods, liegt die Faszination nicht darin, dass er als Schwarzer einen traditionell „weißen“ Sport ausübt. Vielmehr beeindruckt er durch brillantes Golfspiel, Rekorde – und die Klasse, die er seinem Sport verleiht.

Hier unterscheidet sich die heutige Generation der Amerikaner deutlich von ihren Eltern und Großeltern: Als die Baseball-Legende Jackie Robinson 1947 als erster Spieler die Rassentrennung in seinem Sport überwand, waren viele zwar der Meinung, dass ein talentierter Schwarzer durchaus seine Chance in einer weißen Liga bekommen sollte. Doch kaum einer sah in ihm einen gleichberechtigten Spieler – geschweige denn ein Idol wie Jordan oder Woods.

Ähnlich wie im Sport galt auch in der Politik die Chancengleichheit der Rassen lange Zeit als Utopie. Doch nach dem aktuellen Stand der Vorwahlen ist nun durchaus denkbar, dass mit Barack Obama erstmals ein Schwarzer ins Weiße Haus einziehen könnte.

An den Ergebnissen lässt sich ablesen, dass Obamas Erfolg auf der Unterstützung junger Wähler beruht: In Iowa stimmten 57 Prozent der demokratischen Wähler unter 30 Jahren für ihn, in South Carolina sogar 67 Prozent.

Die „farbenblinde“ Generation sieht Obama nicht als Farbigen. Wir jungen Amerikaner unterstützen ihn, weil wir ihn für den besten Kandidaten halten. Wir schätzen seine außergewöhnlichen Fähigkeiten – als Redner und als Führungsfigur für eine Nation, mit der es unserer Meinung nach bergab geht. Die USA wären nicht das erste Land, in dem Jungwähler das Zünglein an der Waage sind. In Frankreich hat die Rekordbeteiligung von 85 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen gezeigt, dass junge Menschen sehr wohl politisch interessiert sind. Ähnlich in Polen: Hier hat die hohe Wahlbeteiligung der bis 24-Jährigen entscheidend zur Abwahl des konservativen Staatschefs zugunsten einer EU-freundlichen Regierung beigetragen.

Bemerkenswert ist ferner, dass sich Obama auch unter den jungen Latinos wachsender Beliebtheit erfreut – obwohl er bei deren Eltern weniger gut ankommt. Offenbar beeindruckt sein Hintergrund und sein Programm die junge Migrantengeneration, die auf der Suche nach ihrer Rolle in der amerikanischen Gesellschaft ist.

Ein weiterer entscheidender Punkt bei den bisherigen Vorwahlen war sicherlich, dass die jungen Amerikaner Obama am ehesten zutrauen, das arg angekratzte Image der USA in der Weltöffentlichkeit wieder aufzupolieren.

Ob in Frankreich, Polen oder den USA: Wir jungen Leute sind nicht so zynisch, konsumorientiert und politikverdrossen, wie häufig unterstellt wird. Wir nehmen unsere bürgerlichen Rechte und Pflichten durchaus ernst, wenn es darum geht, den Ausgang einer wichtigen Wahl zu entscheiden – und die Zukunft unserer Gesellschaft mitzugestalten.

Der Autor ist Schüler an der St. Andrews Episcopal High School in Potomac, Maryland (USA), und Mitarbeiter des Online-Magazins „The Globalist“.

Nathan Richter

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