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© Illustration: Taschen

USA und die Welt: Befreiende Niederlage für Obama

Am Dienstag wird Barack Obama seine Parlamentsmehrheit verlieren. Was wird dann aus seiner Außenpolitik? Er war doch mal der Supermann, auf dem weltweite Hoffnungen ruhten.

2009 bekam er sogar den Friedensnobelpreis. Wie lange scheint das schon her! So vieles blieb unvollendet, weil er seine Energien auf die Innenpolitik und die Folgen der Wirtschaftskrise konzentrieren musste. Guantanamo ist nicht geschlossen, der Start-Vertrag über die Reduzierung strategischer Atomwaffen nicht ratifiziert, die Stabilisierung Afghanistans lässt auf sich warten, Iran spielt weiter mit der Atombombe, und die Friedensgespräche im Nahen Osten steuern, kaum dass sie begonnen haben, aufs Scheitern zu. War’s das schon? Schluss mit den Hoffnungen auf eine aktive und konstruktive Rolle der Weltmacht im internationalen Geschäft, weil der Präsident künftig keine Mehrheit mehr im Kongress hat?

Obama scheint das nicht anzufechten. Am Freitag geht er auf Asienreise. Natürlich werden die Republikaner ihm das als Flucht aus der innenpolitischen Misere auslegen. Aber es ist zugleich eine Demonstration. Er will sich seine weltpolitischen Ambitionen nicht beschneiden lassen. Und er muss es auch nicht. Gut möglich, dass er in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit mehr außenpolitische Präsenz zeigt als in den ersten beiden Jahren. Das haben viele Vorgänger so gemacht. Der Handlungsspielraum eines US-Präsidenten reicht viel weiter als der eines Bundeskanzlers. Er braucht keine Zustimmung des Kongresses, um die Afghanistanstrategie zu verändern, mehr Truppen zu schicken, die Sanktionen gegen den Iran zu verschärfen oder mit China, Indien, Europa und den G 20 Absprachen über den weiteren Kampf gegen die Finanzkrise zu treffen. Mitsprache hat das Parlament da nur indirekt, und zwar bei der Abstimmung über den Staatshaushalt.

Die allgemein erwartete schwere Wahlniederlage der Demokraten kann außenpolitisch sogar befreiend auf Obama wirken. Er braucht nicht mehr so viel Rücksicht auf seine Partei zu nehmen. Künftig muss jeder verstehen, dass er die Republikaner umwirbt. Die haben schließlich die Mehrheit. Wenn Obama die US-Soldaten länger als geplant in Afghanistan oder im Irak lassen möchte und kriegsmüde Demokraten ihm ihre Stimmen für einen Nachtragshaushalt verweigern, wird er die Mehrheit dafür bei den Konservativen suchen und bekommen.

So richtig abhängig vom Kongress ist Obama nur in einer außenpolitischen Frage: der Ratifizierung des Start-Vertrags mit Russland. Der Senat muss mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Ein Scheitern wäre eine Blamage für Obama und eine Belastung der Beziehungen zu Moskau. Daher stammt der Ehrgeiz, Russland bereits zuvor für eine gemeinsame Raketenabwehr und andere Kooperationsprojekte zu gewinnen – damit ein eventueller Misserfolg bei Start nicht gleich zum Bruch in den wiederbelebten Beziehungen führt und Moskau in der Iranpolitik an Amerikas Seite bleibt.

Je mehr die Konservativen ihre künftige Mehrheit nutzen, um Obama innenpolitisch zu blockieren, desto stärker wird er die Kür in der Außenpolitik suchen, zum Beispiel im Nahen Osten. 2009 hielt er in Kairo die Rede an die muslimische Welt. Bald wird es Zeit für eine Rede in Israel, um den Menschen dort Mut zu machen, den historischen Kompromiss mit den Palästinensern zu wagen. Gewiss, eine Wahlniederlage macht Obama außenpolitisch nicht stärker. Aber eben auch nicht machtlos.

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