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USA: Und immer an Vietnam denken

Kritiker der Bush-Regierung ziehen den Vergleich seit Jahren: Der Militäreinsatz in Irak sei ein ähnlich verheerender außenpolitischer Fehler wie der Vietnamkrieg. Nun bringt Bush selbst Vietnam zur Sprache - und zieht seine Folgerungen aus den Fehlern der Vergangenheit.

Jahrelang hat die Bush-Regierung versucht zu verhindern, dass dem Irakkrieg ein Vietnam-Label angeklebt wird. Dennoch haben natürlich zahlreiche Kommentatoren genau diesen Vergleich gezogen. Nun hat George W. Bush selbst Vietnam ins Spiel gebracht – als Beispiel für einen zu hastigen amerikanischen Rückzug, der viele Menschenleben gekostet hat.

Heute gilt Vietnam vielen in den USA als Beispiel für einen falschen Krieg, an dem man viel zu lange festgehalten hat. Entsprechend hat sich die Sicht durchgesetzt, dass die Niederlage zwar eine demütigende und demoralisierende Erfahrung für Amerika und besonders das US-Militär gewesen sei, aber letztlich hätten die USA - anders als viele es in der konkreten historischen Situation sahen – keinen hohen Preis für diesen Rückzug gezahlt. Während die Sowjetunion unter anderem auch an ihrem „Vietnam“ – dem Afghanistan-Krieg - zerbrochen ist, haben die USA den Kalten Krieg gewonnen. Im Rückblick hat Vietnam an der grundsätzlichen Systemüberlegenheit des Westens wenig geändert. Übertragen auf den Irak hieße das: Lieber einen verlorenen Krieg rechtzeitig eingestehen, bevor noch mehr US-Soldaten in ihm sterben. Und: Es wird schon nicht so schlimm werden, wie man befürchtet. Schließlich ändert sich wenig an den harten Fakten amerikanischer Macht, die allen anderen Prätendenten auf die globale Führungsrolle militärisch um ein Vielfaches überlegen sein wird – auch nach einem Rückzug aus Irak.

Entscheidung an der Heimatfront

Bush ruft nun zurecht ins Gedächtnis, dass der amerikanische Rückzug keineswegs so folgenlos war, wie viele heute meinen - besonders für die Region selbst. Historiker schätzen, dass bis zu 1,7 Millionen Menschen unter der Schreckensherrschaft von Pol Pot in Kambodscha gestorben sind, etwa 1,5 Millionen Vietnamesen und andere Indochinesen wurden zu Flüchtlingen, Zehntausende starben in Lagern. Bei einem hastigen amerikanischen Rückzug aus Irak wären ebenfalls hohe Opferzahlen zu erwarten. Wer den Amerikanern geholfen hat, dürfte ganz oben auf der Abschussliste stehen. Und ein Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten würde das jetzt schon hohe Maß an Gewalt noch um ein Vielfaches übersteigen. Auch andere Parallelen drängen sich auf. Wie in Vietnam droht der Irakkrieg letztlich an der Heimatfront verloren zu werden. Damals waren es die insgesamt 58.000 getöteten US-Soldaten und eine als unmoralisch empfundene Kriegsführung, die den Krieg zunehmend als sinnlos erscheinen ließen.

Heute besteht die US-Armee zwar nur noch aus Berufssoldaten. Die bisher 3700 getöteten US-Soldaten und mangelnde Erfolgsaussichten haben aber die öffentliche Meinung in den USA längst gegen den Krieg gewendet. Es gleichen sich auch die Versuche, das Schlimmste noch einmal abzuwenden. In Vietnam setzte man in der Spätphase auf „Vietnamisierung“. Das meint dasselbe wie die heutige „Irakisierung“: Man will immer mehr Verantwortung an die lokalen Kräfte abgeben, um das ganze zuhause besser verkaufen zu können. Wie in Vietnam sind die Partner, mit denen die USA zu tun haben, aber wenig effektiv und teilweise unfähig. So ist es der irakischen Regierung bisher weder gelungen, ein gerechteres Ölgesetz zu verabschieden oder eine politische Versöhnung der Volksgruppen herbeizuführen. Einen gravierenden Unterschied gibt es jedoch. Vietnam hatte eine hohe symbolische Bedeutung im Kräftemessen des Kalten Krieges. Eine Niederlage im Irak wäre aber mehr als nur eine Ermunterung für Al Qaida, Iran und andere antiamerikanische Kräfte in der Region. Der Irak ist einer der wichtigsten Staaten am Golf, der Tankstelle der Welt. Die Amerikaner können als globale Ordnungsmacht gar nicht anders, als an diesem strategisch wichtigen Ort präsent zu sein.

Das ist einer der Gründe, warum die Demokraten sich leicht tun, für einen Rückzug zu plädieren, aber viel schwerer, ein Szenario für die Zeit nach dem Rückzug zu entwerfen. Umsomehr, als die Identifikation der demokratischen Partei mit dem Vietnamkriegsprotesten ihnen innenpolitisch langfristig mehr geschadet als genützt hat. Irak ist eben doch nicht Vietnam – und sollte es besser auch nicht werden.

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