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Der Eisbrecher "Eis Ed" (vorn) bricht am 27. Dezember im Unterwasser der Hindenburg-Schleuse des Mittellandkanals in Hannover-Anderten das Eis, während sich dahinter ein Binnenschiff auf die Abfahrt vorbereitet. Seit dem Heiligen Abend war der Mittellandkanal für die Schifffahrt wegen des Eisgangs gesperrt, etliche Schiffe saßen im Kanal fest.

© dapd

Verantwortlichkeit unter null: Schnee entlarvt unsere Verkehrssysteme

Es schneit und das Land versinkt im Chaos. Was daran nervt, sind nicht die vorhersehbaren Beeinträchtigungen, für die jeder Verständnis haben muss und wird, es ist der Winter als Vorwand für Desorganisation und Schlamperei.

Fangen wir mit den Straßen an: Dass Schneeräumen Zeit braucht und Blitzeis den Verkehr zum Erliegen bringt, vermag jeder einzusehen; dass allerdings Streusalzvorräte nun zum dritten Mal in viel zu geringem Umfang angelegt wurden, weil Mangel an Geld und Lagerkapazität herrschen, ist dem Schnee nicht anzulasten, eher einer sommerlichen Sorglosigkeit.

Oder nehmen wir den Flugverkehr. Dass Maschinen enteist und Start- wie Landebahnen geräumt werden müssen und dabei der Flugverkehr durcheinandergeraten kann, wird niemanden verwundern. Aber warum plötzlich Zubringerbusse und die das Flugzeug zurückschiebenden Hubwagen fehlen, lässt sich mit dem starken Flockenwirbel allein nicht erklären. Auch nicht, warum Gepäck für Flüge abgefertigt wird, die danach ersatzlos gestrichen werden. Dabei hat man noch Glück, wenn der Betrieb das irgendwo schlummernde Gepäckstück wieder ausspuckt und dem gestrandeten Fluggast die Übernachtung im eigenen Pyjama ermöglicht.

Es stimmt schon, wir alle sind dauernd in Bewegung und das Prinzip „just in time“ ist zum Lebensprinzip moderner Gesellschaften geworden. Doch dabei ist eine Komplexität entstanden, die Verantwortung bis zur Unkenntlichkeit aufspaltet und das Gefühl von Verantwortlichkeit für das Ganze bis gegen null reduziert. Keiner weiß nichts.

Am wenigsten diejenigen, die qua Amt dem Kunden Rede und Antwort stehen sollen. Irgendwann bekommen sie einen Anruf, dass die Maschine jetzt zum Einsteigen bereit oder eben schon längst endgültig vom Bildschirm des Dispatchers verschwunden ist.

Die einen planen und machen Fehler, die anderen wissen von nichts und halten den Zorn der scheinbar sinnlos umhergeschobenen Kunden aus. Wenn dann auch noch – durch wessen Fehler auch immer – Passagiere, die nach Wien fliegen wollen, in eine Maschine für Zürich verfrachtet werden (so geschehen am 17. Dezember abends am Flughafen Berlin- Tegel) und nur eine zufällige Nachfrage das Chaos an den Tag bringt, führt sich das System vollends ad absurdum.

Nur mit Winter, Schnee und Eis hat das alles nichts zu tun. Es ist Ausdruck organisierter Verantwortungslosigkeit. Statt sich bei den Witterungsverhältnissen zu beruhigen, sollte der für diese Jahreszeit nicht ungewöhnliche Flockenfall ein Anlass sein, darüber nachzudenken, ob Transportsysteme, die bei der kleinsten Unregelmäßigkeit ins Chaos stürzen, richtig organisiert sind.

Voriges Jahr setzte sich Flugschnee in die Türrahmen und legte das ICE-System lahm, im Sommer fielen die Klimaanlagen aus und nun hat die Bahn gleich ganz von ihrer Benutzung abgeraten. Man wird das Gefühl nicht los, dass die wärmere Jahreszeit nicht zum Denken, sondern nur zum Aussitzen genutzt wird getreu dem Motto: Über den Sommer kommen wir schon und der nächste Winter ist noch lange hin …

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