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Verbeamtung: Neue Hektik

Berlin stellt plötzlich wieder Landesdiener ein – ein klares Konzept steckt allerdings nicht dahinter. Denn gekürzt wurde bis dato dort, wo kein größerer Widerstand möglich war.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Deutsche Beamtenbund muss sich wirklich keine Sorgen machen, dass die Population der Staatsdiener in Berlin demnächst aussterben wird. Im unmittelbaren Landesdienst arbeiten trotz eines radikalen Stellenabbaus, der bundesweit beispiellos ist, immer noch 72 000 Beamte. Das sind nur 3500 weniger als vor einem Jahrzehnt, während sich die Zahl der öffentlichen Angestellten im selben Zeitraum fast halbierte: Von 72 300 auf jetzt 41 800.

Die Zahlen belegen eindeutig, dass der unkündbare Kernbereich der Berliner Verwaltung eine geschützte Zone geblieben ist, der die erbarmungslose (und ebenso alternativlose) Sparpolitik des Finanzsenators Thilo Sarrazin wenig anhaben konnte. Polizei und Feuerwehr, Justiz und Finanzämter, auch die verbeamtete Lehrerschaft bilden bis heute den weitgehend unversehrten, wenn auch hoffnungslos überalterten Teil des hauptstädtischen Personalkörpers. Selbst wenn Bildungssenator Jürgen Zöllner tatsächlich den Fehler machen sollte, jungen Lehrern in Berlin wieder den Beamtenstatus zuzugestehen, um sie an die Stadt zu binden, änderte sich daran nichts.

Nein, der personelle Aderlass fand anderswo statt: In den bürgernahen Dienstleistungsstellen der Bezirke und in jenen kommunalen Behörden, die soziale Nöte, Jugend- und Familienprobleme so weit wie möglich auffangen sollen. Das war vom Ansatz her auch nicht so falsch – angesichts eines aufgedunsenen Verwaltungsapparats, den sich Ost- und West-Berlin bis zum Mauerfall geleistet hatten. Nur deshalb war es ja auch möglich, die Vollzeitstellen in den Senats- und Bezirksverwaltungen von 207 100 im Jahr 1991 auf knapp 105 000 im laufenden Jahr zu reduzieren, ohne dass der Laden auseinandergefallen wäre. Es gab übergroße Reserven.

Sogar bei den Beschäftigten selbst war die stille Einsicht vorhanden, dass es so nicht weitergegangen wäre. Warum haben sie sonst 2003 auf einen Generalstreik verzichtet, als ihre Gewerkschaften einen „Solidarpakt“ unterschrieben, der allen öffentlich Bediensteten beträchtliche Gehaltsanteile, inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld wegnahm? Ein Sondertarif, der dem Landeshaushalt noch bis 2010 jährlich eine halbe Milliarde Euro einspart.

Eigentlich könnte Berlin stolz sein, denn nun hat sich die Hauptstadt mit entschiedenen Personaleinsparungen an das vernünftige Hamburger Niveau herangerobbt. Leider beschränkte sich Rot-Rot bisher darauf, reichlich ungeordnet zu kürzen – überall da, wo es ohne größeren Widerstand möglich war, ohne großen bildungs-, sozial- und familienpolitischen Verstand. Kollateralschäden wurden billigend in Kauf genommen.

Das musste unweigerlich zu Problemen führen. Zumal in einer Stadt mit großer privater und öffentlicher Armut. Also steuern SPD und Linke, die stark im sozialen Wettbewerb stehen, auf einmal hektisch gegen. Hier und dort wird neues Personal bewilligt, wiederum ungeordnet und widersprüchlich. Eine strategisch kluge Politik ist das noch lange nicht.

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