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Meinung: Verbraucherschutz: Gesetze machen noch nicht mündig

Brauchen sie wirklich Schutz, diese Verbraucher? Sie rauchen, obwohl sie wissen, dass jede Zigarette sie dem Lungenkrebs näher bringen kann.

Brauchen sie wirklich Schutz, diese Verbraucher? Sie rauchen, obwohl sie wissen, dass jede Zigarette sie dem Lungenkrebs näher bringen kann. Sie essen zu viel und zu fettig, obwohl sie der Arzt vor dem Herzinfarkt gewarnt hat. Und seitdem die Bilder von schwankenden, kranken Kühen aus den Nachrichtensendungen verschwunden sind, langen sie auch beim Rindfleisch wieder kräftig zu. Von Qualitätsbewusstein keine Spur. Im Gegenteil: je billiger, desto mehr. Ist das der Verbraucher, den die Bundesregierung schützen will - der mündige Konsument, dem Verbraucherschutzministerin Künast mit ihrem neuen Informationsgesetz jetzt noch mehr Rechte verschaffen möchte?

Warum also sollen die Bürger jetzt auch noch Auskunftsansprüche gegen die Behörden bekommen, wenn sie die bisherigen Informationsquellen nicht nutzen? Und: Sind wir Deutsche nicht schon jetzt gut genug gegen die miesen Machenschaften von Wurstpanschern, Geldanlagehaien und selbstherrlichen Monopolisten geschützt?

Sicher: Die Bilder von gestrandeten Urlaubern an Flughäfen wird es nicht mehr geben. Wer eine Versicherung abschließt und sich kurz darauf eines Besseren besinnt, kann seinen Vertragsabschluss widerrufen. Und auch Mieter müssen nicht befürchten, von heute auf morgen auf der Straße zu stehen. Es gibt inzwischen viele Gesetze, die Mieter, Käufer, Reisende oder Versicherungskunden schützen. Aber es gibt genauso viele Bereiche, in denen die Anbieter noch immer machen können, was sie wollen. Kunden von Nahverkehrsunternehmen können davon ein Lied singen, Bahnfahrer, Bauherren, denen nach dem Konkurs der Baufirma nur eine Ruine bleibt, oder Patienten, die ihrem Arzt praktisch niemals nachweisen können, dass er schuld ist an ihrem Leiden.

Das Verbraucherinformationsgesetz, meint Renate Künast, ist der erste Schritt auf einer langen Reise hin zu mehr Verbraucherschutz. Da irrt die Ministerin. Schon vor der rot-grünen Bundesregierung hat es Gesetze gegeben, die den Verbrauchern helfen. Doch viele sind nicht auf dem Mist der Regierenden seinerzeit in Bonn gewachsen, sondern waren Vorgaben aus Brüssel, denen sich die Deutschen nicht entziehen konnten. Verbraucherschutz als eigenständige Aufgabe aufzuwerten, als Ziel, das sich durch das gesamte Regierungshandeln ziehen muss, hat demgegenüber eine neue Qualität. Ob das grüne Ministerium dieses leisten kann, muss sich noch zeigen. Denn noch ist das Verbraucherschutzministerium in seinem Kern ein Ministerium für Ernährungsschutz, und sind wichtige Verbraucherthemen - Riester-Rente, Wettbewerbsrecht oder Nahverkehr - bei anderen, "härteren" Ministerien angesiedelt. Insofern ist das neue Gesetz doch ein erster Schritt auf einer langen Reise, der Reise des Verbraucherministeriums hin zu einem ernst zu nehmenden Mitspieler am Kabinettstisch.

Ob die Verbraucher das interessiert? Nicht alle, aber einige. Vielen Käufern ist egal, ob ihre Eier aus Legebatterien stammen. Und viele Sparer treibt die reine Geldgier in windige Anlagemodelle. Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, geht das Wehklagen los. Aber es gibt auch den anderen, den kritischen Verbraucher, der sich erst schlau macht und dann kauft, der seine Versicherung oder Bank nach den Tabellen der Stiftung Warentest aussucht und dem nicht egal ist, ob die Hühner jemals Tageslicht sehen oder nicht. Für solche Leute ist das neue Gesetz gemacht. Schutzrechte leben davon, dass man sie nutzt. Ob und wie, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

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