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Meinung: Verbrauchte Energie

Grüne und SPD in Nordrhein-Westfalen finden nicht zurück zum Miteinander

Das Klima zwischen Roten und Grünen in Düsseldorf ist vergiftet. Erst sitzt man bis in die tiefe Nacht zusammen und verspricht sich hinterher, pfleglich miteinander umzugehen, und wenig später schlägt man öffentlich aufeinander ein. Ministerpräsident Peer Steinbrück verlangt, dass Bremsklötze in der Koalition entfernt werden, und es ist völlig klar, dass er damit nicht seine Parteifreunde meint. Sein Stellvertreter Michael Vesper, der bei den Grünen unter dem Generalverdacht zu großer SPD-Nähe steht, antwortet ihm und schimpft öffentlich über das Maulheldentum der Genossen, was ihm den Beifall des grünen Parteitages bringt. In den Meinungsumfragen stürzt die Koalition darauf so stark ab, dass man schon jetzt zweifeln kann, ob sich das Bündnis davon je wieder erholen wird.

Beide Partner tragen ihren Teil der Verantwortung an der desolaten Lage. Da fallen zunächst einmal die Sozialdemokraten ins Auge, denen in ihrem Stammland jede Orientierung fehlt. Peer Steinbrück schockt seine Parteifreunde – mit Realitäten. Er hat Recht, wenn er auf die demografische Veränderung der Gesellschaft hinweist und seine Bemerkungen zur falschen Finanzierung der sozialen Sicherheit treffen zu. Dennoch erreicht er mit all seinen Botschaften nur einen Teil der Genossen. Der große Rest kommt nicht mehr mit. Die alten Milieus im Ruhrrevier gehören ohnehin der Vergangenheit an, wer davon noch in der SPD ist, denkt daran, das Parteibuch wegzuwerfen. Die spärlich anzutreffenden neuen Mitglieder gleichen diesen Aderlass nicht aus. Vor allem entkernt sich die SPD: Nicht zuletzt im Ruhrgebiet strahlte sie als das soziale Gewissen der Republik. Weil sich dieser Begriff im Verständnis der SPD verändert, sehen sich diese Parteimitglieder im Schatten. Die Jüngeren verstehen, dass der Sozialstaat alter Prägung keine Antworten auf die neuen Fragen nach Generationengerechtigkeit gibt. Aber weite Teile der Partei folgen dem emotional nicht. Man träumt stattdessen – aber von vergangenen Zeiten.

Die Grünen beschränken ihre Analyse der Krise vor allem auf den Zustand der Genossen. Das ist nicht ganz falsch, lenkt sie aber vom eigentlichen Problem ab. Auch nach acht gemeinsamen Jahren hat man einige Grundkonflikte noch immer nicht überwunden. Obwohl sich die Grünen mehr als einmal gehäutet und den Realitäten angepasst haben, finden sie weder in der Energie- noch in der Verkehrspolitik wirklich mit den Sozialdemokraten zusammen. Da kann es passieren, dass man sich an einer Durchführungsverordnung für ein Planverfahren so verhakt, dass die Koalition nur in der buchstäblich letzten Sekunde gerettet wird.

Diese Form von Streit, den nicht einmal mehr die interessierte Öffentlichkeit erklären kann, hat mit diesem nicht ausgetragenen Grundkonflikt zu tun. Ein beliebiges Beispiel: das Gaskraftwerk in Köln-Hürth. Vordergründig wird darum gerungen, ob die Anlage den Wirkungsgrad für eine bestimmte Steuerbefreiung hat. Im Kern geht es um etwas anderes: Die Grünen wollen das Gas fördern, weil sie damit der Braunkohle das Leben schwer machen. Sie haben zwar, nach langen und auch schmerzhaften Debatten in den eigenen Reihen, dem Projekt zugestimmt, aber durch die Hintertür nutzen sie jede Chance, es zu torpedieren. Die SPD lässt das nicht zu, schon ist der nächste Streit programmiert. Ähnlich verläuft die Frontlinie bei vielen Verkehrsprojekten. Auf Landesebene sagt man nach zermürbenden Debatten meistens Ja, vor Ort geht der Widerstand der Basis weiter.

Beide Partner reiben sich mit dieser Form des Streites auf. Hinzu kommt, dass sich die Zeiten und der Ministerpräsident geändert haben. Peer Steinbrück ist offenbar nicht mehr bereit, diesen Spagat auszuhalten, deshalb dringt er auf endgültige Klärung. Er tut das, obwohl er wenig Hoffnung haben kann, dass die Grünen ihm die Antworten geben, die er verlangt. Dass das zurzeit gegen die Berliner Parteiinteressen läuft, stört ihn nur wenig. Er will nicht freiwillig den zweiten Sigmar Gabriel geben. Denn eines weiß Steinbrück: Wenn die SPD nicht nur in der Sozialpolitik, sondern auch in der Industriepolitik scheitert, bleibt von ihr nichts mehr übrig.

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