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Meinung: Vergessener Freiheitstag

Kanzler Kohl und die deutsche Politik haben den DDR-Bürgerrechtlern den Feiertag zum Mauerfall verweigert – weil der 9. November mit der Pogromnacht 1938 und der Revolution von 1918 ein sperriges Datum ist und das Wetter in aller Regel viel schlechter als am 3.

Kanzler Kohl und die deutsche Politik haben den DDR-Bürgerrechtlern den Feiertag zum Mauerfall verweigert – weil der 9. November mit der Pogromnacht 1938 und der Revolution von 1918 ein sperriges Datum ist und das Wetter in aller Regel viel schlechter als am 3. Oktober. Ein Mächtiger hält an der Erinnerung fest. Seit 2001 proklamiert US-Präsident Bush den Tag Jahr für Jahr zum Weltfreiheitstag. Mit ihm und seiner „Freedom agenda“ haben viele Dissidenten ihre Probleme. Den meisten Deutschen fällt es schwer, das Freiheitselement zu würdigen, das ja auch im Sturz Saddam Husseins steckt; der hatte in seiner langen Diktatur Hunderttausende ermorden und einkerkern lassen. Das Anliegen, aus der gelungenen Freiheitsbewegung in Mitteleuropa 1989 Kraft für eine Demokratisierung der arabischen Welt zu schöpfen, wird durch Irak aber nicht falsch. Zwei Dinge an Bushs Initiative sind bedauerlich. Gegen den Geschichtsverlauf hat er die polnische Gewerkschaft Solidarnosc und Ungarns mutige Grenzöffnung unterschlagen, ohne die der Mauerfall so nicht denkbar gewesen wäre. Und er hat die Chance zur großen Geste, die die Mauer des Irakkriegs zwischen Amerika und Deutschland überwindet und die Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung unter einer ostdeutschen Kanzlerin erleichtert, vergeigt. Das Weiße Haus verbreitete die Proklamation in diesem Jahr erst mit einem Tag Verspätung, es steckt offenbar auch handwerklich in der Krise. cvm

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